Reid 3 Ungezähmte Sehnsucht
weitaus härtere Strafe verdient, als in hohem Bogen aus dem Palast zu fliegen.
»Das Einzige, was mich wirklich überrascht«, entgegnete Rupert, »ist, dass Ihr Alberton seinerzeit für eine gute Partie hieltet. Er war schon immer ein übler Schürzenjäger und wird es immer sein. Es gibt sogar Zeitgenossen, die behaupten, er sei in gewisser Hinsicht pervers. «
Sarahs Augen leuchteten auf. Grundgütiger, hoffte sie etwa, dass er zu Unzüchtigkeit neigte?
Doch dann kicherte sie. »Er stand gar nicht auf meiner Liste. Schließlich ist er zehn Jahre älter als ich und hatte sich längst die Hörner abgestoßen, ehe ich im heiratsfähigen Alter war. Dennoch übte er eine gewisse Anziehungskraft auf mich aus. Ähnlich wie bei Euch könnte man sagen - vor Eurer Eheschließung wohlgemerkt. Wie lange liegt Eure Heirat eigentlich genau zurück? «
Rupert war augenblicklich auf der Hut und antwortete mit einer Gegenfrage: »Was hat meine werte Gemahlin Euch denn gesagt? «
Sarah gluckste. »Touche. Habt Nachsicht mit mir! Alte Gewohnheiten an den Nagel zu hängen ist gar nicht so einfach, zumal sie mir bis vor Kurzem viel Freude bereitet haben. Geheimnisse anderer an die Oberfläche zu bringen, lässt sich mit der Suche nach einem Schatz vergleichen. Man weiß nie, worauf man stößt. «
»Wenn Lord Alberton nicht auf Eurer ursprünglichen Liste stand, wie kommt es dann, dass es Euch gelungen ist, ihn an die Leine zu legen? Vorausgesetzt, Ihr habt ihn nicht erpresst. «
»Was für ein hässliches Wort - Erpressung! «, entgegnete Sarah und schnalzte mit der Zunge. »Was denkt Ihr denn von mir? Aber wenn Ihr es unbedingt wissen wollt: Ich hatte in der Tat etwas gegen ihn in der Hand, bin per Zufall darauf gestoßen. Etwas, das mir nach meiner Entlassung als recht nützlich erschien. Also entschied ich, ihn damit zu konfrontieren. Dass er mir wenig später einen Heiratsantrag macht, damit hätte ich mein Lebtag nicht gerechnet. Ich bin mir nicht sicher, was genau ich erwartet habe. Vielleicht eine Art flüchtige Affäre, wie ich sie mit Euch hatte. Eine Freundschaft mit ihm hätte mir schon genügt. Ich mache keinen Hehl daraus, dass er gedacht haben könnte, ich wollte ihn erpressen. Als er mich mit dem Heiratsantrag förmlich überrumpelte, war ich jedoch viel zu aufgeregt, um ihn aufzuklären. «
»Aber was geschieht, wenn die erste Euphorie über die Eheschließung sich aufgelöst hat? Haltet Ihr es nicht auch für wahrscheinlich, dass Ihr schon bald den Wunsch verspüren werdet, wieder mit Nigel Katz’ und Maus zu spielen? «
»Schon wieder Nigel? Kommt schon, langweilt mich nicht! Dieses Kapitel ist ein für alle Mal abgeschlossen - genauso wie das Aufspüren dunkler Geheimnisse. « Auf ihren Zukünftigen deutend sagte Sarah: »Seht ihn Euch doch an! Glaubt Ihr wirklich, dass mir an seiner Seite je langweilig wird? «
Rupert wäre am liebsten vor lauter Mitleid für Lord Alberton zusammengezuckt. Aus Sarahs Mund klang es, als ginge es um ein Spielzeug, nicht um einen Mann. Sollte die Vorstellung gewagter Sexspiele sie erregen, so würde sie sich schon bald umsehen. Aber womöglich passten die beiden wie Topf und Deckel zusammen. Mit einem Mal wünschte Rupert sich nichts sehnlicher, als dass er dasselbe über seine eigene Ehe sagen könnte.
Wie von selbst glitt sein Blick zu seiner Gemahlin - moment mal, seit wann nannte er sie so? Rebecca stand bei einer älteren Dame und hörte ihr aufmerksam zu, obwohl sie sich vermutlich zu Tode langweilte. Wie höflich sie war! Höflich, charmant und mit einem ausgeprägten Sinn für Humor gesegnet. Ja, sie vereinte alle Merkmale, die seine Ehefrau - und die Mutter seiner Kinder - mitbringen sollte. Das Problem war nur, dass sie ihre Krallen ausfuhr, sobald er ihr zu nahe kam.
Warum nur hatte er sich so vehement gegen sie gewehrt, hatte bei jeder Kleinigkeit einen Streit angezettelt? Weil er keine anderen Frauen mehr haben konnte? Zur Hölle mit all den anderen Weibern, wenn es eine einzige Frau gab, die all seine Bedürfnisse erfüllte!
Für Rupert gab es nun keinen Grund mehr, noch länger auf der Feier zu verweilen. Er hatte, worum Nigel ihn gebeten hatte, und war davon überzeugt, dass Sarah die Wahrheit sprach. Die ganze Zeit über hatte er geglaubt, dass die einzige Frau, die ihn je hinters Licht geführt hatte, Rebecca war. Jetzt wusste er, dass sie von Grund auf ehrlich war. Er hatte sich wie ein Narr verhalten, hatte ihr Handeln vollkommen falsch ausgelegt.
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