Reid 3 Ungezähmte Sehnsucht
Eure Zwecke, könnte man meinen. «
»Höre ich da ein Aber? «
»Ja. Ich halte es nicht für sinnvoll, ihre Abneigung auszunutzen, um sie auf Eure Seite zu ziehen. In meinen Augen kommt sie eher nicht infrage. Ihr fehlt es hier oben. « Rupert tippte sich an die Schläfe. «Was Lady Elizabeth betrifft, so habe ich ihr Gemach durchsucht, kurz bevor ihr eine Mitbewohnerin zugewiesen wurde. Außer einem Haufen Kleider war nichts Verwertbares dabei. Ich fürchte jedoch, mir bleibt nichts anderes übrig, als das Gemach ein weiteres Mal zu durchforsten, jetzt wo sie nicht mehr allein dort wohnt. Ihr hättet hören sollen, wie bitterlich sie sich darüber beschwert hat! «
»Darüber, dass die letzte Hofdame endlich eingetroffen ist? «
»Vermutlich. Wenn mich nicht alles täuscht, bin ich ihr auch schon begegnet. Ehe ich Euch davon erzähle, erlaubt mir eine letzte Bemerkung über Lady Elizabeth. Es wäre gut, wenn Ihr stets ein Auge auf sie hättet. Die Kleine hat es faustdick hinter den Ohren, ist sogar so weit gegangen, ihre vormalige Zimmergenossin zu vergraulen, damit sie das Gemach für sich hat und ich jederzeit zu ihr kommen kann. Mag sein, dass sie das nur getan hat, weil sie für mich schwärmt, aber eine innere Stimme sagt mir, dass sie, wenn nötig, über Leichen gehen würde. Würde mich nicht wundern, wenn sie auf Geheiß von Lady Sarah irgendwann zu so drastischen Maßnahmen greift. «
»Ist notiert. Aber nun noch einmal zurück zu der Hofdame, von der Ihr eben spracht. Aus welchem Grunde zweifelt Ihr daran, dass es sich bei ihr um Elizabeths neue Zimmergenossin handelt? «
Rupert wollte es um jeden Preis vermeiden, Nigel gegenüber einzuräumen, dass das junge Ding ihn derart in seinen Bann gezogen hatte, dass er es versäumte, sie nach ihrem Namen zu fragen. Wenn er eins und eins zusammenzählte, war er sich sicher, dass sie es sein musste, die sich mit Elizabeth das Gemach teilte. Schließlich war sie zum Ball eingeladen, hatte lange bei Evelyn gestanden und zugegeben, Sarah zu kennen.
»Sagen wir so: Ich bin mir zu neunundneunzig Prozent sicher, dass es sich bei ihr um Rebecca Marshall handelt, deren Ankunft für gestern vorgesehen war. Es gab zu viele andere Dinge, die ich erst einmal über sie in Erfahrung bringen musste, wenn man die Umstände bedenkt, unter denen unsere Begegnung stattgefunden hat. «
Nigel hob neugierig die Augenbrauen. »Wieso klingt das unheilvoll? «
»Weil ich sie eben hier in diesem Gemach kennenlernte, während sie in Sarahs Auftrag Eure Habseligkeiten durchwühlte. «
Nigel schnitt eine Grimasse. »Jetzt ist es also schon so weit, dass Sarah die Hofdamen in ihrer Obhut zu Diebinnen erzieht? Wie kann sie es wagen! «
»Fürchtet Ihr Konkurrenz? «, fragte Rupert feixend.
»Redet keinen Unsinn! «, entgegnete Nigel schnaubend. »Wir sprechen hier von Diebstahl. Jetzt ist Sarah wirklich zu weit gegangen. «
Die Scheinheiligkeit des Meisterspions entlockte Rupert ein Lachen. »Darf ich Euch daran erinnern, dass Ihr mich schon häufig zum Dieb gemacht habt? Wo soll da der Unterschied zu Lady Sarah liegen? «
»Wenn Ihr etwas entwendet, geschieht es im Rahmen der Wahrung der nationalen Sicherheit. Ferner seid Ihr Euer eigener Herr und ersetzt, was Ihr entwendet habt, nachdem Ihr es einer Untersuchung unterzogen habt. Und vergesst nicht, dass Ihr einen Auftrag ablehnen könnt, wenn er Euch nicht behagt. In diesem Fall hingegen sprechen wir von unschuldigen jungen Frauenzimmern, die gar nicht wissen, worauf sie sich einlassen. «
»Besteht denn die Möglichkeit, dass das Mädchen auf brisante Informationen gestoßen ist? «
»Nur wenn Ihr im Vorfeld ihres Hausfriedensbruchs etwas von Bedeutung habt herumliegen lassen. Ich für meinen Teil lasse niemals wichtige Unterlagen zurück, selbst dann nicht, wenn der Raum verschlossen ist. «
»Ich hatte ursprünglich vor, Euch einen schriftlichen Bericht über die jüngsten Ereignisse, die ich Euch soeben mündlich präsentiert habe, zu übergeben, entschied mich aber nach der Begegnung mit Lady Sarahs Spionin anders. Die Hofdame, um die es geht, ist blitzgescheit und geschickt, weshalb ich noch zu keinem abschließenden Urteil über sie gekommen bin. Die Erklärung für ihre Anwesenheit in Eurem Gemach kam schnell und glaubwürdig über ihre Lippen. «
Nigel seufzte. »Mit anderen Worten: Sie ist darüber im Bilde, dass es zwischen uns eine Verbindung gibt, und hat dies vermutlich längst an Lady Sarah herangetragen.
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