Reid 3 Ungezähmte Sehnsucht
sich ein Stück Satin genommen hatte, nahm sie neben Evelyn Platz und fragte, nachdem sie die üblichen Begrüßungsfloskeln ausgetauscht hatten: »Kennt Ihr einen gewissen Nigel? «
»Nigel Jennings? «
Rebecca, die den Nachnamen noch nie gehört hatte, bejahte dennoch. Wie viele Männer mit Vornamen »Nigel« mochte es im Palast geben?
»Mir ist zu Ohren gekommen, er sei ein uneheliches Mitglied der Königsfamilie. Da ich ihm persönlich nie begegnet bin, würde ich ihn allerdings nicht erkennen, selbst wenn er vor mir stünde. « Dann beugte Evelyn sich zu ihr herüber und flüsterte: »Es geht das Gerücht um, Lady Sarah habe einen anrüchigen Spitznamen für ihn. Daraus schließe ich, dass sie ihn nicht sonderlich mag. «
Rebecca blinzelte. »Weshalb denn? «
Evelyn zuckte mit den Achseln. »Wenn ich alles, was ich über die beiden gehört habe, zusammenfüge, buhlen sie darum, wer der Königin den neuesten Klatsch servieren kann. «
Rebecca war fassungslos. Sarah hatte sie ohne Skrupel in eine verfängliche Lage gebracht, nur weil sie hinter den neuesten Gerüchten her war? »Aber sagtet Ihr nicht, Sarahs Botengänge stünden im Zusammenhang mit den Palastintrigen? «, hakte Rebecca nach. »Wie, bitte schön, passen da Gerüchte hinein? «
»Im Grunde ist es doch alles dasselbe, oder? Enttarnte Geheimnisse bieten erstklassiges Futter für die Gerüchteküche. Und wer außer der Königin könnte ein größeres Interesse daran haben, Skandale im Keim zu ersticken? «
Rebecca konnte noch immer nicht glauben, dass Sarah einzig hinter den neuesten Ondits her war. Nachdem sie sich einige Minuten der Stickerei gewidmet hatte, merkte sie beiläufig an: »Gestern Abend sah ich Elizabeth in der Gesellschaft eines attraktiven Mannes, der eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Engel hat. «
Evelyn kicherte. »Merkwürdig, dass Ihr das sagt. Es gibt einige Frauen, die ihn wegen seines Namens als Heiligen bezeichnen - als Scherz, versteht sich. Rupert St. John hat es nämlich faustdick hinter den Ohren. «
Rebecca wusste, dass sie besser daran tat, es dabei zu belassen, jetzt wo sie die Bestätigung hatte, dass sie seinen richtigen Namen kannte. Er hatte sie also nicht belogen. Aber es gab noch genug andere Fragen, die sie beschäftigten.
»Ihr könnt frei reden«, ermutigte Evelyn sie. »Ich habe gesehen, wie Ihr mit ihm getanzt habt - genau wie Elizabeth. Ihr hättet sehen sollen, wie eifersüchtig sie dreinblickte! Die Gute glaubt allen Ernstes, sie hätte eine Chance bei ihm. Dabei weiß doch jeder, dass er kein Kostverächter ist. Diese Bezeichnung hat er sich übrigens selbst gegeben. «
»Er ist also ein Schürzenjäger. «
»Ihr habt es erfasst. Er hat selbst mir Avancen gemacht. «
»Ist er zufällig derjenige, den Ihr mit Küssen ablenken solltet? «, fragte Rebecca.
Evelyn grinste. »Ihr habt eine gute Auffassungsgabe, Rebecca. Sarah wollte herausfinden, wie groß sein Interesse an Elizabeth ist. Die beiden haben in den letzten Tagen viel Zeit miteinander verbracht. Allerdings verstehe ich nicht, warum Sarah ihn nicht einfach selbst fragt. Ich dachte immer, die beiden wären befreundet. «
Grundgütiger! Rupert war mit Sarah befreundet? Kein Wunder, dass er wusste, in welchem Flügel des Palastes sie wohnte!
»Und als Ihr ihn fragtet, ob er etwas für Elizabeth empfände, hat er geantwortet, er hielte lieber die Augen in alle Richtungen offen? «, wollte Rebecca wissen.
»Ja. Er ließ es so klingen, als würde er einen Scherz machen, obwohl jeder längst weiß, dass er der Damenwelt nur so zum Spaß den Kopf verdreht. Seine Worte kamen Nadelstichen in mein Herz gleich. Er ist ein Lebemann, nimmt niemanden und nichts ernst, und schon gar keine Frauen. Vielleicht kann ich etwas Gutes tun, indem ich Euch vor ihm warne. Am besten, Ihr himmelt ihn nur aus der Ferne an wie die meisten. Versucht erst gar nicht, zu leugnen, dass Ihr ihn attraktiv findet! Aber macht nicht denselben Fehler wie Elizabeth und nehmt seine blumigen Worte für bare Münze. «
»Ist notiert«, erwiderte Rebecca feixend.
»Er kann schonungslos offen sein«, fügte Evelyn leicht verstimmt hinzu. Die Röte, die sich auf ihre Wangen legte, ließ erahnen, dass sie bereits in den zweifelhaften Genuss seiner Offenheit gekommen war. »Nehmt es nicht so tragisch. «
»So wie Ihr es getan habt? «
Evelyn stieß einen verzagten Seufzer aus. »Er behandelt alle Frauen gleich - egal, ob Dame von Stand oder einfache Küchenmagd. Aber so sind
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