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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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das dann mit aller – ich könnte beinahe sagen, wissenschaftlicher – Sorgfalt mittels eines durchsichtigen Plastikschlauchs zurück in den Keller transportiert wird. Dort treiben und vermischen sich diese winzigen Schwebepartikel wie die Kackeflocken in einem Goldfischglas und warten darauf, in das Glas von jemand anderem gezapft zu werden. Wenn ich verdünnte Spucke und gebrauchtes Mundwasser trinken soll, dann sitze ich dabei lieber in behaglich heiterer Atmosphäre in einem Windsorstuhl vor einem lodernden Kamin. Doch das scheint ein immer unerfüllbarerer Traum zu werden. Plötzlich – und das passiert mir in solchen Situationen eben manchmal auch – verspürte ich kein Verlangen mehr nach Bier. Ich hievte mich von meinem Barhocker, kehrte zu meiner Uferbehausung zurück und ging früh zu Bett.
    Als ich am nächsten Morgen aus der Pension trat, war die Welt wie ausgebleicht. Ein schwerer, niedriger Himmel hing über einem weiten, leblos grauen Meeresufer. Es fing an zu regnen, die Tropfen machten Grübchen ins Meer, und als ich am Bahnhof ankam, goß es in Strömen. Sonntags ist der Bahnhof von Llandudno geschlossen – daß im größten Seebad von Wales sonntags keine Züge verkehren, ist zu grotesk, als daß man ein weiteres Wort darüber verlieren sollte –, aber vom Bahnhofsvorplatz fuhr um 11 Uhr ein Bus nach Blaenau Ffestiniog. Eine Bank oder ein Wartehäuschen suchte man an der Haltestelle natürlich vergebens. Wenn Sie heutzutage in Großbritannien viel mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisen, fühlen Sie sich bald als Mitglied einer unerwünschten Minderheit, wie die Behinderten oder Arbeitslosen, als wären alle froh, wenn sie einfach von der Bildfläche verschwänden. Genau das Gefühl beschlich mich nun, und ich bin reich und gesund und sehe sehr gut aus. Wie muß es dann für die ständig Armen oder Behinderten oder diejenigen sein, die aus anderen Gründen nicht voll aktiv am wilden Sturm der Nation auf die sonnigen Hänge des Berges Habgier teilnehmen können?
    Ich finde es bemerkenswert, wie diese Dinge in den letzten zwanzig Jahren total auf den Kopf gestellt worden sind. In Großbritannien zu leben hatte früher etwas unausgesprochen Nobles. Durch seine bloße Existenz, dadurch, daß man zur Arbeit ging, seine Steuern zahlte, ab und an mit dem Bus fuhr und einfach ein anständiger, wenn auch nicht außergewöhnlicher Mensch war, fühlte man sich, als leiste man im kleinen seinen Beitrag zum Erhalt eines edlen Unternehmens – einem im großen und ganzen solidarischen Gemeinwesen mit kostenloser Krankenversicherung für jedermann, funktionierenden öffentlichen Verkehrsmitteln, intelligentem Fernsehprogramm, umfassender Sozialfürsorge und so weiter und so fort. Ich weiß nicht, wie es anderen Briten geht, aber ich war eigentlich immer stolz darauf, dazuzugehören, insbesondere weil man eigentlich nichts tun – kein Blut spenden oder die Obdachlosenzeitung Big Issue kaufen oder sonstwie irre Mühen auf sich nehmen – mußte, um sich so zu fühlen, als trage man sein kleines Scherflein dazu bei. Doch einerlei, was man heutzutage tut, man kriegt Schuldgefühle. Macht man einen Landspaziergang, wird man unweigerlich darauf hingewiesen, daß man zur Überfüllung der Nationalparks und durch sein Herum-getrampel zur Bodenerosion auf empfindlichen Hügeln beiträgt. Versucht man, im Schlafwagen nach Fort William oder mit dem Zug von Settle nach Carlisle oder sonntags mit dem Bus von Llandudno nach Blaenau zu fahren, fühlt man sich im Nu, als tue man etwas Anrüchiges oder sogar Ungesetzliches, denn man weiß ja, daß die Aufrechterhaltung der Strecken riesige, kostspielige Subventionen erfordert. Fahren Sie mit Ihrem Auto, suchen Sie einen Job oder eine Wohnung, und Sie nehmen wertvollen Raum und wertvolle Zeit in Anspruch. Und wenn Sie mal krank sind – ja, wie rücksichtslos und egoistisch wollen Sie denn noch werden? (»Wir können Ihren eingewachsenen Zehennagel selbstverständlich behandeln, Mr. Smith, aber das bedeutet natürlich, daß wir ein Kind von einem lebenserhaltenden Gerät nehmen müssen.«)
    Ich wagte gar nicht daran zu denken, wieviel es Gwynedd Transport kostete, mich nach Blaenau Ffestiniog zu befördern, denn außer einer jungen Dame, die sich in Betws-y-Coed zu uns gesellte und uns kurz darauf in dem Ort mit dem interessanten Namen Pont-y-Pant wieder verließ, war ich der einzige Fahrgast. Ich hatte mich auf die Fahrt gefreut, weil ich dachte, ich könnte ein bißchen

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