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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Lunch.
    Wo ich auch sein wollte. Ich ging über die Straße in ein nettes, kleines Selbstbedienungsrestaurant mit Salatbar namens Olive Branch, wo ich mich rasch zum Paria machte, weil ich mich an einen Tisch für vier Personen setzte. Bei meiner Ankunft war das Ding praktisch leer gewesen, und ich hatte mit meinem Rucksack und dem schwankenden Tablett den erstbesten leeren Tisch genommen. Aber kaum saß ich, strömten die Massen, und den Rest meiner kurzen Lunchpause spürte ich die bohrenden Blicke der Leute, die von der Kasse kamen, sahen, daß ich einen Tisch besetzte, der offensichtlich nicht für einen einsamen Gast bestimmt war, und nun ihre Tabletts in die unpopuläre Abteilung »Weitere Tische im ersten Stock« tragen mußten. Da wollte wohl keiner gern hin. Während ich versuchte, schnell zu essen und mich möglichst unsichtbar zu machen, kam ein Mann von zwei Tischen entfernt, fragte mich demonstrativ, ob ich einen der Stühle brauche, und nahm ihn, ohne meine Antwort abzuwarten. Ich verzehrte mein Mahl und schlich mich in Schimpf und Schande davon.
    Zurück am Bahnhof erstand ich eine Fahrkarte für den nächsten Zug über Shrewsbury nach Manchester Piccadilly. Wegen eines Versagens der Weichen irgendwo auf der Strecke kam der Zug vierzig Minuten zu spät an. Er war proppenvoll und die Fahrgäste ziemlich gereizt. Ich fand einen Platz, indem ich ein paar Herrschaften an einem Tisch dazu brachte, widerwillig Platz zu machen und mich voller Verachtung anzustarren. Noch mehr Feinde! Heute war nicht mein Tag. In dem überheizten Waggon saß ich dann auf engsten Raum gequetscht mit Winterjacke und dem Rucksack auf dem Schoß und nährte die vage Hoffnung, noch bis Blackpool weiterfahren zu können, aber ich war so fest eingeklemmt, daß ich meinen Fahrplan nicht herausholen und nachschauen konnte, wo ich umsteigen mußte. Also blieb ich sitzen und vertraute darauf, daß ich von Manchester aus einen Zug dorthin bekam.
    Auch British Rail hatte einen rabenschwarzen Tag. Wir tuckerten aus dem Bahnhof und blieben nach etwa einer Meile aus keinem ersichtlichen Grund stundenlang stehen. Endlich verkündete eine Stimme, daß dieser Zug wegen weiterer Defekte auf der vor uns liegenden Strecke in Stockport enden werde, was allgemeines Stöhnen hervor-rief. Nach etwa zwanzig Minuten schließlich setzte er sich stockend in Bewegung und holperte durch die grüne Landschaft. An jedem Bahnhof entschuldigte sich die Stimme für die Verspätung und verkündete erneut, daß der Zug in Stockport ende. Als wir die Stadt endlich neunzig Minuten zu spät erreichten, erwartete ich, daß alle aussteigen würden, aber keiner rührte sich, ich also auch nicht. Nur ein Fahrgast, ein Japaner, stieg brav aus und mußte dann fassungslos zusehen, wie der Zug ohne weitere Erklärung, vor allem aber ohne ihn nach Manchester weiterfuhr.
    In Manchester entdeckte ich, daß ich einen Zug nach Preston brauchte. Da die Bildschirme nur die Endbahnhöfe angaben und nicht die Bahnhöfe dazwischen, dackelte ich los und stellte mich in eine Schlange Reisender, die einen Bahnhofsbeamten um Auskunft baten. Zu seinem Pech gab es in Großbritannien keinen Bahnhof, der »Verpißt euch!« hieß, denn genau das hätte er ganz augenscheinlich gern den Leuten gesagt. Mich hieß er, zum Bahnsteig 13 zu gehen, und ich marschierte los, doch die Bahnsteige endeten bei Nummer 11. Ich kehrte zu ihm zurück und teilte ihm mit, daß ich keinen Bahnsteig 13 finden könne. Da stellte sich heraus, daß Bahnsteig 13 über eine Geheimtreppe und dann eine Fußgängerbrücke zu erreichen war. Es war bestimmt der Bahnsteig für verschwundene Züge. Traurig und verloren standen dort Scharen von Reisenden, die alle aussahen wie Leute in dem Monty Python- Sketch mit dem Milchmann. Schlußendlich wurden wir zu Bahnsteig 3 zurück-geschickt. Der Zug kam an, es war natürlich ein Eilzug mit zwei Waggons, und die üblichen 700 Fahrgäste quetschten sich hinein.
    So geschah es dann, daß ich vierzehn Stunden nach meiner Abfahrt aus Porthmadog müde, zerzaust, hungrig und zutiefst vergrätzt in Blackpool ankam, wo ich sowieso nicht sonderlich gern hinwollte.
     

Zweiundzwanzigstes Kapitel
     
    Blackpool – und es ist mir egal, wie oft Sie das schon gehört haben, es ist doch einfach immer wieder verblüffend – zieht jedes Jahr mehr Besucher an als Griechenland und hat mehr Gästebetten als ganz Portugal. Sein Pro-Kopf-Verbrauch an Pommes frites ist der höchste auf unserem Planeten.

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