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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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markanten Gebäude der Stadt, das altehrwürdige Schwimmbad 1978, der Winter Gardens 1982, das wahrhaft prachtvolle Grand Hotel 1989, und die Leute fuhren nicht mehr nach Morecambe, sondern nach Blackpool und an die Costa Brava. Ende der Achtziger konnte man, schreibt Bingham, ein großes, einstmals stolzes Strandhotel wie zum Beispiel das fünfstöckige Grosvenor zu demselben Preis kaufen wie eine Doppelhaushälfte in London.
    Heute besteht Morecambes ramponierte Strandpromenade im großen und ganzen aus wenig besuchten Bingo- und Spielhallen, »Alles-für-ein-Pfund!«-Läden und solchen Sonderangebotsboutiquen, deren Klamotten so billig und unattraktiv sind, daß man sie ohne Risiko an Ständern hinausstellen und unbewacht lassen kann. Viele Geschäfte sind leer, und die meisten anderen sehen aus, als täten sie’s auch nicht mehr lange. Wieder ist Morecambe – Ironie der Geschichte – Bradford-by-Sea geworden. Es ging sogar so sehr bergab, daß die Stadt im Sommer zuvor nicht einmal jemanden hatte finden können, der die Konzession zum Vermieten der Liegestühle haben wollte. Wenn das in einem Seebad passiert, na, dann ist wirklich zappendüster.
    Und dennoch hat Morecambe seine Reize. Die Strandpromenade ist schön und gut gepflegt, und die weite Bucht (174 Quadratmeilen, falls Sie sich Notizen machen) gehört zu den schönsten der Welt. Von dort hat man unvergeßliche Blicke auf die grünen und blauen Berge des Lake District, den Scafell, den Coniston Old Man, die Langdale Pikes.
    Aus Morecambes goldenem Zeitalter hat im Grunde nur das Midland Hotel überlebt, ein elegantes, heiteres, strahlend weißes Art-deco-Gebäude an der Strand-promenade mit einer weitgeschwungenen, stromlinien-förmigen Fassade aus dem Jahre 1933. Damals waren Betongebäude groß in Mode. Da aber die örtlichen Baubetriebe keinen Beton verarbeiten konnten, wurde es aus Accrington-Backstein erbaut und mit Mörtel verputzt, so daß es aussah wie Beton, was ich sehr liebenswert finde. Heute bröckelt das Hotel leise vor sich hin und hat hier und dort sogar Rostflecken. Viel von der Innendekoration ging während periodischer, nachlässiger Renovierungen über die Jahre verloren, und etliche große Plastiken von Eric Gill, die einstmals Eingang und Gasträume schmückten, verschwanden einfach, aber es hat immer noch einen unverwüstlichen Dreißiger-Jahre-Charme.
    Wo das Midland Hotel heutzutage seine Gäste hernimmt, ist mir schleierhaft. Als ich dort war, herrschte gähnende Leere. Ich trank eine Tasse Kaffee in einer leeren Lounge und schaute auf die Bucht hinaus. Heute ist Morecambe unter anderem natürlich deshalb so liebenswürdig, weil man, wo immer man als Kunde hinkommt, dankbar begrüßt wird. Ich genoß die erstklassige Bedienung und den hübschen Blick, beides ist, soweit ich mitbekommen habe, in Blackpool nicht zu haben. Als ich wieder ging, fiel mein Blick in den leeren Speisesaal, auf die weiße Gipsstatue einer Meerjungfrau von Gill. Ich schaute sie mir an. Der Schwanz der Statue, die wahrscheinlich ein kleines Vermögen wert ist, war mit Unmengen Klebeband zusammengeklebt – sehr symbolträchtig.
    Ich nahm ein Zimmer in einer Pension an der Strandpromenade. Die Inhaber empfingen mich so dankbar und erschreckt, als hätten sie vergessen, daß all die leeren Zimmer oben zu vermieten seien. Nachmittags war ich mit Roger Binghams Buch unterwegs. Ich schaute mir die Sehenswürdigkeiten an, versuchte mir die Stadt in ihrer Glanzzeit vorzustellen und beehrte gelegentlich Tea Rooms und deren mitleiderregend dankbare Serviererin-nen mit meiner Anwesenheit.
    Es war ein milder Tag, und eine Anzahl Leute, meist älteren Jahrgangs, flanierte über die Promenade, aber es gab wenig Anzeichen, daß jemand Geld ausgab. Weil ich nichts Besseres zu tun hatte, wanderte ich über die Promenade fast bis Carnforth und trabte über den Sandstrand zurück, denn es war Ebbe. Überraschend an Morecambe ist nicht, fiel mir da auf, daß es so heruntergekommen ist, sondern daß es je prosperiert hat. Schwer, sich einen weniger geeigneten Ort für ein Seebad vorzustellen. Seine Strände bestehen aus ekligem, matschigem Schlamm, und in seiner riesigen Bucht ist dank der Launen der Gezeiten stundenlang gar kein Wasser. Wenn Ebbe ist, kann man sechs Meilen quer über die Bucht nach Cumbria laufen, aber ohne Wattführer ist es gefährlich. Einmal erzählte mir ein solcher Führer schreckliche Geschichten von Pferdekutschen, die versucht hatten, die Bucht

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