Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
(Hier werden pro Tag die Erträge von etwas mehr als sechzehn Hektar verputzt.) Es gibt die meisten Achterbahnen und die zweitbeliebteste Touristenattraktion in Europa, die siebzehn Hektar große Pleasure Beach, deren 6,5 Millionen jährliche Besucher nur von der Zahl derer übertroffen werden, die zum Vatikan pilgern. In Blackpool sind die berühmten Illuminationen. Und freitags und samstags abends mehr öffentliche Toiletten als irgendwo sonst in Großbritannien. Woanders heißen sie Türeingänge.
    Was auch immer man von der Stadt hält, feststeht, daß sie ihre Sache sehr gut macht – und wenn nicht sehr gut, so doch sehr erfolgreich. In den letzten zwanzig Jahren, einer Zeit, in der die Zahl der Briten, die traditionellen Badeurlaub am Meer machen, um ein Fünftel gesunken ist, hat Blackpool seine Besucherzahlen um sieben Prozent gesteigert und seine touristischen Aktivitäten zu einer 250-Millionen-Pfund-Industrie ausgeweitet – keine geringe Leistung, wenn man das britische Wetter berücksichtigt, die Tatsache, daß Blackpool häßlich, schmutzig und völlig abgelegen ist, das Meer eine offene Toilette und daß seine Attraktionen beinahe alle billig, provinziell und schauderhaft sind.
    Ich war wegen der Illuminationen dort. Ich hatte schon so viel davon gehört und gelesen, daß ich nun wirklich begierig war, sie zu sehen. Nachdem ich mir also ein Zimmer in einer bescheidenen, kleinen Pension genommen hatte, eilte ich mit einer gewissen Neugier zur Uferpromenade. Also, ich kann nur berichten, Blackpools Illuminationen sind alles andere als prächtig. Selbst-verständlich besteht immer die Gefahr der Enttäuschung, wenn man endlich etwas in Augenschein nimmt, auf das man sich schon so lange gefreut hat, aber was Enttäuschungen betrifft, ist Blackpools Lightshow schwer zu übertreffen. Ich hatte gedacht, es gebe Lasergeräte, die den Himmel anstrahlen, stroboskopisches Licht, das die Wolken tätowiert, und alle möglichen atemberaubenden Sensationen. Statt dessen rumpelte eine Karawane alter Straßenbahnwagen daher, wahlweise als Weihnachts-knallbonbon oder Weltraumschiff hergerichtet, und über etliche Meilen zierten armselige Dekorationen sämtliche Laternenpfahle. Wenn man zum erstenmal sieht, was man mit Elektrizität alles anstellen kann, verschlägt es einem vielleicht den Atem, aber selbst da bin ich mir nicht sicher. Es wirkte alles schäbig und niveaulos, wie Blackpool selbst.
    Nicht weniger erstaunlich als die mickrigen Illuminationen waren die Menschenmassen, die gekommen waren, um Zeuge des Spektakels zu werden. Auf der Promenade standen die Autos Stoßstange an Stoßstange, kindische Gesichter drückten sich an die Fenster jedes kriechenden Autos, und wahre Heerscharen spazierten fröhlich und zufrieden über die breite Promenade. Alle paar Meter verhökerten Straßenhändler Neonhalsketten und -armbänder und dergleichen modisches Talmi. Die Geschäfte gingen bombig. Irgendwo hatte ich auch gelesen, daß die Hälfte der Besucher Blackpools schon mindestens zehnmal dort gewesen ist. Weiß der Himmel, was sie daran finden. Ich lief etwa eine Meile über die Promenade und begriff nicht, was daran so reizvoll war – und ich liebe, wie Sie ja mittlerweile wissen, Kitsch. Vielleicht war ich nach meiner langen Reise von Porthmadog müde, aber ich konnte einfach nicht die rechte Begeisterung aufbringen. Ich wanderte durch hellerleuchtete Arkaden und lugte in Bingohallen, aber die festliche Stimmung, die offenbar jedermann ergriffen hatte, färbte nicht auf mich ab. Müde und mich sehr fremd fühlend, zog ich mich schließlich in ein Fischrestaurant fern von all dem Trubel zurück, wo ich eine Portion Schellfisch, Fritten und Erbsen verspeiste und wie eine südenglische Tunte angegafft wurde, als ich um Remouladensoße bat. Wieder ging ich früh zu Bett.
     
    Um Blackpool noch eine Chance zu geben, stand ich morgens zeitig auf. Im Tageslicht gefiel es mir erheblich besser. An der Uferpromenade gab es ein paar hübsche gußeiserne Objekte sowie phantasievolle Buden mit Zwiebeltürmen, die Zuckerstangen, Torrone und andere klebrige Köstlichkeiten feilboten, was mir in der Dunkelheit des Vorabends entgangen war, und der Strand war breit und leer und sehr schön. Er ist sieben Meilen lang und existiert witzigerweise offiziell gar nicht. Also, ich flunkere nicht. Als die Europäische Gemeinschaft Ende der Achtziger eine Direktive betreffs der Höchstmenge an Abwässern erließ, die ins Meer geleitet werden

Weitere Kostenlose Bücher