Reif für die Insel
braunen Tüten herum, schlugen mit tauben Fingern hartgekochte Eier auf, schlürften lauwarme Limo, futterten schlabbrige Käse-Pickle-Sandwiches, und starrten in die undurchdringliche Finsternis, durch die wir drei Stunden geklettert waren, um hierher zu gelangen, und ich dachte, wirklich, ich dachte ganz ernsthaft: Mein Gott, ich liebe dieses Land!
Vierundzwanzigstes Kapitel
Auf der Fahrt nach Newcastle über York stürzte ich mich wieder in ein Abenteuer. Ich stieg in Durham aus, weil ich mich ein Stündchen in der Kathedrale umtun wollte, und verliebte mich sofort in die Stadt. Und zwar heftig. Sie ist wunderschön – eine perfekte kleine Stadt –, und ich dachte immer wieder: Warum hat mir nie jemand davon erzählt? Ich wußte natürlich, daß sie eine schöne Kathedrale hatte, aber ich hatte ja keine Ahnung, wie toll die ist. Ich konnte nicht glauben, daß in zwanzig Jahren nie mal jemand zu mir gesagt hatte: »Was, du bist noch nie in Durham gewesen? Lieber Himmel, Mann, da mußt du sofort hin! Bitte – nimm mein Auto.« Ich hatte in den Sonntagszeitungen unzählige Reiseberichte über Wochen-endreisen nach York, Canterbury, Norwich, sogar Lincoln gelesen, aber ich konnte mich an keinen über Durham erinnern, und wenn ich Freunde nach Durham fragte, fand ich kaum mal jemanden, der dort gewesen war. Deshalb: Wenn Sie noch nie in Durham gewesen sind, fahren Sie sofort hin. Nehmen Sie mein Auto. Die Stadt ist wundervoll.
Die Kathedrale, ein Koloß aus rotbraunem Stein, steht hoch über einer grünen Schleife des träge dahinfließenden Flusses Wear und ist natürlich das Prachtstück. Sie ist rundum vollkommen – nicht nur die Lage und Umgebung und der Bau selbst, sondern auch, und das ist nicht weniger erwähnenswert, die Art und Weise, wie sie Besucher empfängt. Zunächst einmal gab es keine Bettelei, keine »freiwillige« Eintrittsgebühr. Draußen hing nur ein Schild, auf dem stand, daß es 700000 Pfund im Jahr koste, die Kathedrale zu erhalten, und daß man sich wegen der umfangreichen Renovierungen am Ostflügel über jedes Scherflein freue, das die Besucher erübrigen könnten. Innen waren zwei bescheidene Sammelkästen und sonst nichts – kein Chaos, keine Bettelschilder oder störenden Anschlagbretter, Überhaupts nichts, das einen von der unsäglich erhabenen Größe des Innenraums ablenkte. Es war auch genau der richtige Tag für eine Besichtigung. Durch die Buntglasfenster fiel das Sonnenlicht in breiten schrägen Bahnen, beleuchtete die üppig kannelierten, massiven Pfeiler und besprenkelte den Boden mit Farbtüpfelchen. Es gab sogar hölzernes Kirchengestühl.
Ich bin kein Experte, aber das Fenster im Chor kann sich meiner Ansicht nach mindestens mit dem berühmteren in York messen, und man konnte es wenigstens in seiner ganzen Herrlichkeit sehen, weil es nicht im Querschiff verborgen ist. Und das Buntglasfenster am anderen Ende war sogar noch schöner. Hach, ich könnte vor Begeisterung stundenlang rumblabbern, so wunderschön war es. Als ich dastand, einer von nur etwa einem Dutzend Besuchern, kam ein Küster vorbei und entbot mir einen fröhlichen Gruß. Ich war von dieser Freundlichkeit so bezaubert und überhaupt so entzückt, inmitten einer solchen Vollkommenheit zu sein, daß ich, ohne zu zögern, Durham meine Stimme für die beste Kathedrale auf dem Planeten Erde gab.
Als ich mich satt gesehen hatte, ließ ich die Münzen nur so in den Kollektetopf prasseln und ging von dannen, um mir wenigstens ganz rasch das alte Stadtzentrum anzuschauen, das nicht weniger altehrwürdig und betörend war. Dann kehrte ich zum Bahnhof zurück, gleichermaßen beeindruckt und verzweifelt, wieviel es in diesem kleinen Land zu sehen gibt und wie dumm ich gewesen war, mir einzubilden, daß ich mehr als einen Bruchteil davon in sieben so schnell vergehenden Wochen sehen konnte.
Ich nahm einen Intercity nach Newcastle und dann einen Nahverkehrszug nach Pegswood, achtzehn Meilen weiter nördlich, wo ich wiederum in herrlichem, für die Jahreszeit ungewohnlichem Sonnenschein ein, zwei Meilen über eine pfeilgerade Straße nach Ashington wanderte.
Ashington hat sich lange als das größte Bergarbeiterdorf der Welt bezeichnet, aber der Bergbau ist verschwunden, und mit einer Einwohnerzahl von 23000 ist es ja wohl auch schwerlich ein Dorf. Es ist berühmt als Geburtsort etlicher Fußballspieler – Jackie und Bobby Charlton, Jackie Milbourn und mehr als vierzig weiterer, die so talentiert waren,
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