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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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auf dem Felsensockel erblickte, der sich scharf von dem blassen Abendhimmel abhob.
    Eigenartig, wie sehr man das Gefühl hatte, in einem anderen Land zu sein, viel mehr als in Wales. Die Gebäude waren unenglisch schmal und hoch, das Geld anders, sogar die Luft und das Licht fühlten sich unbeschreiblich nördlich an. Jedes Buchhandlungsfenster war voll von Büchern über Schottland oder von schottischen Autoren. Und natürlich waren die Stimmen anders. Ich lief daher, als hätte ich England weit hinter mir gelassen, und kam prompt an etwas Vertrautem vorbei. Da, schau her, hier gibt’s Marks & Spencer, dachte ich verblüfft, als wäre ich in Reykjavik oder Stavanger und könne nicht damit rechnen, etwas Britisches vorzufinden. Es war richtig nett.
    Ich checkte im Caledonian ein, schmiß meine Sachen ins Zimmer und ging sofort wieder hinaus, begierig, mir draußen anzusehen, was immer Edinburgh zu bieten hatte. Ich trottete über einen langen, buckligen Berghang zur Burg, aber die Anlage war schon für die Nacht geschlossen, und ich begnügte mich mit einem gemächlichen Spaziergang über die Royal Mile, auf der nichts los und die auf eine strenge, schottische Art sehr schön war. Ein Blick in die Schaufenster der vielen Touristenläden veranlaßte mich, darüber zu räsonieren, was die Schotten der Welt doch alles geschenkt haben – Kilts, Dudelsäcke, karierte Mützen, Haferkekse in Dosen, leuchtendgelbe Pullover mit großen Rhombenmustern, wehmütig dreinschauende Greyfriars Bobbys in Gips (ich würde auch so dreinschauen, wenn ich vierzehn Jahre am Grabe meines Herrn wachte), Haggis –, und daß es außer den Schotten sowieso niemand will.
    Eins möchte ich an dieser Stelle betonen: Ich hege für Schottland und seine klugen, frischwangigen Bewohner die größte Zuneigung und Bewunderung. Wußten Sie, daß Schottland mehr Universitätsstudenten pro Kopf der Bevölkerung hat als alle anderen Nationen Europas? Und überproportional im Verhältnis zu seiner bescheidenen Größe hat es eine ganze Latte von Berühmtheiten hervorgebracht – Stevenson, Watt, Lyell, Lister, Burns, Scott, Conan Doyle, J. M. Barrie, Adam Smith, Alexander Graham Bell, Thomas Telford, Lord Kelvin, John Logie Baird, Charles Rennie Mackintosh und Ian McCaskill, um nur ein paar zu nennen. Neben vielem anderen verdanken wir den Schotten den Whisky, Regenmäntel, Gummistiefel, das Fahrradpedal, das Telefon, Asphalt, Penicillin und das Wissen, wie Cannabis seine Wirkung entfaltet. Wie unerträglich wäre das Leben wohl ohne diese Dinge. Also danke schön, Schottland, und mach dir nichts draus, daß du dich heutzutage nicht einmal mehr für die Fußballweltmeisterschaft qualifizierst.
    Am Ende der Royal Mile stieß ich auf den Eingang zum Holyrood Palace und gelangte durch eine Reihe dunkler Seitenstraßen zurück zum Zentrum. Schließlich landete ich in einem ungewöhnlichen Pub auf dem St. Andrew Square, im Tiles. Der Name paßte wie die Faust aufs Auge, denn vom Boden bis zur Decke war jeder Zentimeter mit dicken fetten, schnörkeligen viktoria-nischen Kacheln bedeckt. Es war ein bißchen, als betränke man sich in Prince Alberts Klo – übrigens gar nicht übel. Wie dem auch sei, irgend etwas muß mir gefallen haben, denn ich kippte eine närrische Menge Bier in mich hinein, und als ich damit fertig war, hatten alle Restaurants im Umkreis geschlossen. Ich schlich in mein Hotel zurück, blinzelte der Nachtschicht zu und brachte mich ins Bett.
    Als ich am nächsten Morgen erwachte, war ich halb verhungert, munter und über Gebühr klar im Kopf. Ich begab mich in den Speisesaal. Ob ich frühstücken möchte, fragte mich ein Herr im schwarzen Anzug.
    »Worauf Sie sich verlassen können!« erwiderte ich bestens gelaunt und versetzte ihm einen freundschaftlichen Rippenstoß. Ich wurde zu einem Tisch geleitet und war so hungrig, daß ich auf einen Blick in die Speisekarte verzichtete und den Mann bat, mir zu bringen, was auch immer Küche und Keller zum Frühstück zu bieten hatten. Dann lehnte ich mich glücklich und zufrieden zurück und betrachtete in aller Muße die Karte. Und entdeckte, daß das warme Frühstück mit 14,50 Pfund verzeichnet war! Ich schnappte mir einen vorbeikommenden Ober.
    »Entschuldigen Sie«, sagte ich, »aber hier steht, daß das Frühstück 14,50 Pfund kostet.«
    »Das ist richtig, Sir.«
    Plötzlich spürte ich, wie ein Kater an meiner Schädeldecke kratzte. »Heißt das«, sagte ich, »daß ich zusätzlich zu der

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