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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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sich eine riesige Ladebucht mit Metallkipptoren und nicht etwa ein Restaurant oder eine Gartenterrasse oder wenigstens Läden oder Büros mit einem schönen Ausblick. Dabei schaute das Gebäude auf einen der schönsten Flüsse Großbritanniens hinaus. Grauenhaft, einfach grauenhaft, es spottete jeder Beschreibung.
    Kurz zuvor war ich in Hobart in Tasmanien gewesen, wo Sheraton ein überwältigend unansehnliches Hotel in das wunderhübsche Hafenviertel geklotzt hatte. Man erzählte mir, daß der Architekt nie dort gewesen war und das Hotelrestaurant nach hinten gesetzt hatte, wo die Gäste den Hafen überhaupt nicht sehen konnten. Das hatte ich seitdem für das Nonplusultra architektonischer Hirnlosigkeit gehalten. Ich glaubte ja nicht, daß dieses Duo von demselben Architekten entworfen worden war – denn was für eine entsetzliche Vorstellung, daß es vielleicht zwei so schlechte Architekten in der Welt gibt –, aber die Firma hätte ihn sicher mit Kußhand genommen.
    Von all den Gebäuden in Großbritannien, die ich mit Inbrunst in die Luft sprengen würde – das Maples Building in Harrogate, das Hilton Hotel in London, die Post in Leeds, einen auf gut Glück herausgegriffenen Bau der British Telecom –, würde ohne Zögern meine erste Wahl auf eins von diesen beiden, egal, welches, fallen.
    Und jetzt kommt der Knüller. Raten Sie, wer in diesen herzzerreißenden beiden Kästen residiert? Ich sag’s Ihnen. Das größere ist der regionale Hauptsitz des Highland Enterprise Board und das kleinere der Sitz des Inverness and Nairn Enterprise Board, und beide Körperschaften sind damit betraut, die Schönheit dieses hübschen, munteren Landstrichs zu bewahren. Prost Mahlzeit!
     

Siebenundzwanzigstes Kapitel
     
    Für den nächsten Morgen hatte ich große Pläne. Ich wollte zur Bank, die Plastikkotze kaufen, mir die Kunstgalerie ansehen und eventuell noch einmal an dem lieblichen Fluß Ness entlangwandeln. Aber ich wachte zu spät auf und hatte nur noch Zeit, mich in meine Klamotten zu werfen, die Rechnung zu bezahlen und schweißtriefend zum Bahnhof zu watscheln. Über Inverness hinaus fahren nur noch wenige Züge – nach Thurso und Wick nur dreimal am Tag –, ich konnte es mir also nicht erlauben, zu spät zu kommen.
    Und wirklich wartete der Zug auch schon leise summend und fuhr auf die Minute pünktlich ab. Vor einer Kulisse aus sanften Bergen und dem kalten, glatten Beauly Firth glitten wir aus der Stadt und ratterten bald in einem hübschen Tempo durch die Gegend. Diesmal fuhren mehr Leute mit, es gab auch wieder einen Minibarservice – Bravo, British Rail! –, aber keiner wollte was, weil die meisten Fahrgäste Rentner und mithin Selbstversorger waren.
    Ich kaufte mir ein Tandoori-Chicken-Sandwich und einen Kaffee. Was für ein Fortschritt! Ich weiß noch, wie man kein British-Rail-Sandwich essen konnte, ohne sich zu fragen, ob das der letzte Akt vor einer langen Phase an einer lebenserhaltenden Maschine war. Aber es gab sowieso selten welche zu kaufen, weil der Speisewagen geschlossen war. Nun indes aß ich ein Tandoori-Chicken-Sandwich und trank einen richtig guten Kaffee, und es war mir sogar von einem freundlichen, ansehnlichen jungen Mann in einem Zwei-Wagen-Zug durch die Highlands zum Platz gebracht worden.
    Hier ist eine interessante Statistik für Sie, die langweilig sein mag, aber beachtenswert ist. Die Ausgaben für die Eisenbahninfrastruktur pro Person pro Jahr betragen in Belgien und Deutschland 20 Pfund, in Frankreich 31 Pfund, in der Schweiz mehr als 50 Pfund und in Großbritannien knapp unter üppigen 5 Pfund. In der Europäischen Gemeinschaft geben nur Griechenland und Irland pro Kopf weniger für die Verbesserung ihres Eisenbahnnetzes aus als Großbritannien. Sogar Portugal ist spendabler. Und trotz dieser geringen Mittel ist die britische Eisenbahn, alles in allem betrachtet, exzellent. Die Züge sind viel sauberer als früher und die Beamten im allgemeinen geduldiger und hilfsbereiter. Die Fahrkartenkontrolleure sagen nun immer »Bitte« und »Danke«, und das Essen ist genießbar.
    Dankbar vertilgte ich also mein Tandoori-Chicken-Sandwich und meinen Kaffee und nutzte die Zeit zwischen den Bissen zum Beobachten eines weißhaarigen Paars an einem Tisch gegenüber, das sich angelegentlich mit seiner Reiseverpflegung beschäftigte. Sie bauten kleine Plastikboxen mit Schweinepastete und hartgekochten Eiern vor sich auf, zogen Thermosflaschen heraus, drehten Deckel auf und förderten kleine

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