Reif für die Insel
wahr?«
»Ja, Sir.«
»Happy da?«
Ich blinzelte verwirrt mit den Augen und dachte, was stellen einem die Engländer immer für komische Fragen. »Hm, es ist eher sehr ruhig.«
»Nein, John Happy, der diensthabende Pfleger – ist er da?«
»Oh. Nein, er ist weggegangen.«
»Hat er gesagt, wann er zurückkommt?«
»Nein, Sir.«
»Alles unter Kontrolle?«
»Hm, eigentlich –«, ich räusperte mich. »Also, ich glaube, die Patienten haben sich entfernt, Sir.«
»Was?«
»Entlaufen, Sir. Ich bin nur mal eben auf der Toilette gewesen, und als ich wiederkam –«
»Sie sollen ja auch aus der Station raus, mein Sohn. Sie sind bestimmt beim Gartendienst oder bei der Beschäftigungstherapie. Sie verlassen die Station jeden Morgen.«
»Oh, gelobt sei Jesus Christ.«
»Wie bitte?«
»Dem Himmel sei Dank, Sir.«
»Ja, richtig.« Er legte auf.
Den Rest des Morgens lief ich allein auf der Station herum, schnüffelte in Schubladen, Schränken und unter Betten, erkundete Vorratskammern, versuchte, mit losen Teeblättern und einem Sieb Tee zu machen, und veranstaltete, als meine Verfassung entsprechend war, auf dem wohlpolierten Flur vor den Patientenzimmern eine
Privatrutschweltmeisterschaft, die ich auch selbst (im Flüsterton) kommentierte. Als es halb zwei wurde und mir immer noch niemand gesagt hatte, ich solle Mittagspause machen, entließ ich mich und ging in die Kantine, wo ich mich mit einem Teller Bohnen, Fritten und einem mysteriösen Gegenstand, der mir später als gebratenes Frühstücksfleisch identifiziert wurde, allein an einen Tisch setzte und beobachtete, daß Mr. Smithson und ein paar Kollegen in eine überaus heitere Diskussion verwickelt waren und aus irgendeinem Grunde fröhliche Blicke in meine Richtung warfen.
Zurück auf der Station entdeckte ich, daß einige Patienten während meiner Abwesenheit wiedergekommen waren. Die meisten lagen im Tagesraum zusammen-gesunken in Sesseln und schliefen sich nach den Mühen des Morgens, den sie damit verbracht hatten, sich an einen Rechen zu lehnen oder Dübel abzuzählen und in Kisten zu legen, erst einmal richtig aus. Nur ein properer, redseliger Bursche im Tweedanzug schaute sich ein Match im Fernsehen an. Er bat mich, mich zu ihm zu setzen, und als er entdeckte, daß ich Amerikaner war, erklärte er mir begeistert diesen höchst verwirrenden Sport, Cricket. Ich hielt ihn für ein Mitglied des Personals, womöglich war er der Nachmittagsersatz für den mysteriösen Mr. Happy, womöglich ein Psychiater auf Besuch. Doch da drehte er sich plötzlich mitten in der detaillierten Beschreibung der Feinheiten des Spin Bowling zu mir um und vertraute mir locker übern Hocker an: »Ich hab Atomeier.«
»Wie bitte?« entfuhr es mir, in Gedanken noch beim Cricketspiel.
»Porton Down 1947. Experimente der Regierung. Alles streng geheim. Sie dürfen es niemandem erzählen.«
»Ah … nein, natürlich nicht.«
»Die Russen suchen mich.«
»Oh … äh?«
»Deshalb bin ich hier. Inkognito.« Er tippte sich bedeutungsvoll an die Nase und warf einen prüfenden Blick auf die dösenden Gestalten um uns herum. »Nicht übel hier, wirklich. Alles Verrückte natürlich. Es wimmelt von Irren, arme Dinger. Aber mittwochs gibt es immer leckeren Marmeladenstrudel. Ah, jetzt ist Geoff Boycott dran. Toller Spieler. Warten Sie’s nur ab, mit Bensons Wurf hat der keine Probleme.«
So waren die meisten Patienten auf der Station – nach außen hin völlig klar, aber ansonsten total durchgeknallt. Ein Land mit den Augen von Irren kennenzulernen, ist, wenn ich das mal sagen darf, sehr interessant und besonders nützlich als Einführung in das Leben in Großbritannien.
Und so vergingen die ersten Tage. Abends ging ich ins Pub, und tagsüber beaufsichtigte ich eine meist leere Station. Jeden Nachmittag gegen vier erschien eine Spanierin in rosa Overall mit klapperndem Teewagen, und die Patienten erwachten zum Leben, um sich eine Tasse Tee und ein Stück gelben Kuchen zu holen, und alle Jubeljahre schaute Mr. Happy vorbei, um Medizin auszuteilen oder neue Kekse zu ordern, ansonsten ging alles seinen geordneten Gang. Ich entwickelte ein passables Verständnis für Cricket, und mein Rutschen machte Fortschritte.
Das Krankenhaus, verstand ich mit der Zeit, war ein abgeschlossenes kleines Universum, buchstäblich autark. Es hatte eigene Schreiner, Elektriker, Klempner und Anstreicher, seinen eigenen Bus samt Fahrer, Badmintonplatz, Schwimmbad, Bonbonladen und Kapelle,
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