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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Viel angemessener wäre doch, dachte ich, wenn sie Namen wie Lobotomy Square oder Electroconvulsive Court genommen hätten. Die Preise begannen bei 350000 Pfund.
    Ich ging wieder hinaus, um zu sehen, was ich für 350000 Pfund bekommen konnte. Ein eher kleines, aber schmuckes Heim auf einem bescheidenen Stückchen Erde mit einem interessanten Blick auf ein Irrenhaus aus dem neunzehnten Jahrhundert! Ich kann nicht behaupten, daß ich davon mein Leben lang geträumt habe. Die Häuser waren aus rotem Backstein, hatten altmodische Schorn-steine, Hexenhausverzierungen und andere auf viktorianische Zeiten anspielende Elemente. Ein Modell, das eher profan als Haus Typ D bezeichnet wurde, krönte sogar ein Zierturm. Ja, sie sahen alle so aus, als seien sie Ableger des Sanatoriums. Das Wichtigste aber war, daß dieser tolle alte Klotz mit seinen glücklichen Erinnerungen für mich und Generationen faszinierender Irrer gerettet worden war. Ich zog den Hut vor den Bauherren und verabschiedete mich.
    Eigentlich wollte ich nun zu meinem alten Heim schlendern, aber es war eine Meile entfernt, und mir taten die Füße weh. Statt dessen lief ich durch die Stroude Road, wo der alte Sanatoriumsklub nun von einem Gebäude beträchtlichter Häßlichkeit ersetzt worden war und sich die ehemaligen Wohnheime des Pflege-, Küchen- und Reinigungspersonals befanden. Ich wettete mit mir selbst um 100 Pfund, daß sie alle verschwunden und von Villen mit Doppelgaragen verdrängt sein würden, wenn ich das nächste Mal hier vorbeikam.
    Ich ging die zwei Meilen nach Egham zu dem Haus einer reizenden Dame namens Mrs. Billen, die neben vielen anderen selbstlos-freundlichen Eigenschaften auch die besitzt, meine Schwiegermutter zu sein. Während sie mit dieser bezaubernden Aufgeregtheit in die Küche enteilte, mit der alle englischen Damen eines gewissen Alters Überraschungsgäste empfangen, wärmte ich mir die Zehen am Feuer und bedachte (denn in jenen Tagen befand ich mich in diesem Gemütszustand), daß dies das erste englische Haus war, das ich je betreten hatte, ohne zahlender Gast zu sein. Vor vielen Jahren hatte mich meine Frau an einem Sonntag nachmittag hier als ihren jungen Galan vorgestellt, und in diesem gemütlichen, mollig warmen, engen Wohnzimmer hatten wir, sie und ich und ihre Familie, zusammengehockt und ferngesehen. Meine eigene Familie hatte ich seit ungefähr 1958 nicht mehr bei einem, wenn man so will, geselligen Beisammensein getroffen, außer während ein paar krampfiger Stunden zu Weihnachten. Hier im Schoß einer Familie zu sitzen hatte den Reiz des Neuen.
    Meine Schwiegermutter – Mum – servierte mir ein Essen, bei dessen Anblick ich mich einen Moment lang fragte, ob sie mich mit einer Gruppe Holzfäller verwechselte. Während ich mir gierig eine köstliche, dampfende Mahlzeit schmecken und mich dann mit Kaffee und vollem Magen zufrieden zurückplumpsen ließ, plauderten wir über dies und das – die Kinder, unseren bevorstehenden Umzug in die Vereinigten Staaten, meine Arbeit, wie es ihr nun als Witwe ging. Am späten Abend – das heißt, spät für ältere Herrschaften wie uns – geriet sie wieder in diese geschäftige Stimmung. Sie machte im ganzen Haus eine Menge fleißig klingender Geräusche und verkündete dann, das Gästezimmer sei fertig. Als ich nach einer Katzenwäsche dankbar in mein ordentlich aufgeschlagenes Bett mit Wärmflasche kletterte, fragte ich mich noch, warum die Betten bei Großeltern und Schwiegereltern immer so herrlich bequem sind, und war im nächsten Moment eingeschlafen.
     

Sechstes Kapitel
     
    Und nun auf nach Bournemouth! In strömendem Regen kam ich abends um halb sechs dort an. Aber es war schon finstere Nacht, und die Autos fuhren zischend durch die Straßen. Im Scheinwerferlicht glänzten die Tropfen wie Geschosse. Ich hatte zwei Jahre in Bournemouth gelebt und bildete mir ein, es einigermaßen gut zu kennen, doch die Bahnhofsgegend war fast komplett umgebaut worden, und in den neuen Straßen und Bürogebäuden und dem verwirrenden Labyrinth der Fußgängerunterführungen, aus denen man wie eine Taschenratte alle paar Minuten auftauchen mußte, um zu sehen, wo man war, fand ich mich nicht so ohne weiteres zurecht.
    Als ich endlich East Cliff erreichte, ein Viertel mit mittelgroßen, hoch oben über einer schwarzen See thronenden Hotels, war ich klitschnaß und meckerte vor mich hin. Eins muß man Bournemouth lassen: Man wird geradezu verwöhnt mit der Auswahl an Hotels. Unter den

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