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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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dem rosafarbenen georgianischen Haus vorbei, in dem die Queen und Prinzessin Margaret ihre Mädchenjahre verbracht haben, und durch die es umgebenden Wälder und Wiesen zu meiner Lieblingsecke im Park, Smith’s Lawn. Es muß der feinste Rasen in Großbritannien sein, makellos eben und grün und von gewaltigen Ausmaßen. Wenn kein Polospiel läuft, trifft man hier kaum eine Menschenseele. Ich brauchte fast eine Stunde, um ihn zu überqueren, machte aber auch einen ziemlichen Umweg, um eine einsame Statue ganz am Rande in Augenschein zu nehmen, die sich als Prinz Albert entpuppte, und dann brauchte ich noch eine Stunde, um mich durch Valley Gardens zum Virginia Water Lake durchzufinden, der in der kühlen Morgenluft zart vor sich hindampfte. Ein wunderbarer See. Der Herzog von Cumberland hat ihn anlegen lassen, um auf seine Weise all die Schotten zu feiern, die er auf dem Schlachtfeld von Culloden reglos oder zuckend zurückgelassen hat. Alles wahnsinnig idyllisch und romantisch, wie das nur künstlich erschaffene Landschaften sein können, mit unerwarteten Ausblicken, die perfekt von Bäumen und einer langen, dekorativen Steinbrücke eingerahmt werden. Am anderen Ufer stößt man sogar auf ein Häuflein unechter römischer Ruinen, gegenüber Fort Belvedere, dem Landsitz, in dem Edward VIII. seine berühmte Abdankungsrede über den Rundfunk hielt. Er wollte endlich mal mit Goebbels angeln gehen und ausgerechnet die miesepetrige Mrs. Simpson heiraten. Was von einem etwas abartigen Geschmack in puncto Frauen zeugt. Das muß ich leider bei allem Wohlwollen und selbst eingedenk meiner patriotischen Verpflichtung gegenüber einer Landsmännin sagen.
    Ich erwähne das nur, weil sich das Land im Moment auf eine ähnliche Krise der Monarchie zuzubewegen scheint. Im Grunde verstehe ich die Haltung der britischen Nation gegenüber der königlichen Familie nicht. Jahrelang – darf ich hier einen Moment lang ganz offen sein? – hielt ich sie für unerträglich langweilig und nur eine Spur attraktiver als Wallace Simpson, aber alle Engländer liebten sie abgöttisch. Als die Royals dann wie durch ein kleines Wunder schließlich begannen, spannende, schräge Sachen anzustellen, und zu Recht in der News of the World Schlagzeilen machten –, als sie, in einem Wort: interessant wurden, rief plötzlich die ganze Nation: »Skandalös! Schaffen wir sie ab!« Erst in der Woche hatte ich baß erstaunt Question Time gesehen, in der die Runde allen Ernstes die Frage diskutierte, ob die Nation Prinz Charles überspringen und gleich den kleinen William auf den Thron setzen sollte. Wenn man mal für einen Augenblick außer acht läßt, ob es klug ist, allzusehr auf den noch nicht ausgereiften genetischen Output von Charles und Diana zu vertrauen, den ich wohlwollend als rührend beschreiben würde, schien es mir auch völlig an der eigentlichen Sache vorbeizugehen. Ich meine, wenn man schon die Erbfolgeregelung hat, dann muß man auch nehmen, was kommt, einerlei, wie fade der arme Kerl ist oder wie seltsam sein Geschmack bei Mätressen.
    Meine Ansichten zu dieser Angelegenheit sind in einem Lied, das ich selbst komponiert habe, hübsch ordentlich auf den Punkt gebracht. Es heißt: »Ich bin der älteste Sohn des ältesten Sohns des ältesten Sohns des ältesten Sohns des Typs, der Nell Gwynne gevögelt hat«, und wenn sie mir 3,50 Pfund + 50 Pence für Porto und Verpackung schicken, lasse ich es Ihnen gern zukommen.
    In der Zwischenzeit müssen Sie sich vorstellen, wie ich mich, diese fröhliche Weise summend, geschickt durch den donnernden Verkehr auf der A30 fädelte und zur Christchurch Road in das friedliche, grüne Dörflein Virginia Water begab.
     

Fünftes Kapitel
     
    Ich erblickte Virginia Water zum erstenmal an einem ungewöhnlich schwülen Nachmittag Ende August 1973, etwa fünf Monate nach meiner Ankunft in Dover. Ich war den Sommer über in Begleitung eines Stephan Katz gereist, der sich mir im April in Paris zugesellt hatte und von dem ich mich etwa zehn Tage zuvor in Istanbul erleichtert verabschiedet hatte. Erschöpft und reisemüde, aber sehr froh, wieder in England zu sein, entstieg ich dem Zug aus London und war sofort entzückt. Das Dorf Virginia Water sah gepflegt und einladend aus, und die trägen Spätnachmittagsschatten und das unglaublich üppige Grün wußte jemand wie ich, der gerade aus dürren Gefilden gekommen war, ganz besonders zu würdigen. Direkt hinter dem Bahnhof erhob sich der gotische Turm des

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