Reif für die Insel
Fahrer beinahe zwanzig Minuten zum Fahrkarten verkaufen, weil viele Touristen aus fernen Ländern da waren und nur wenige begriffen, daß man Geld hergeben und einen Papierfetzen erwerben mußte, bevor man Platz nehmen konnte. Ich zahlte 3,95 Pfund für die Bus-Rückfahrkarte und weitere 2,80 Pfund für einen Eintritt in Stonehenge. »Haben Sie Interesse an unserem Führer zu 2,65 Pfund?« fragte mich die Kartenverkäuferin und erntete als Antwort ein dumpfes Lachen.
Seit ich Anfang der Siebziger in Stonehenge gewesen war, hatte sich vieles verändert. Es gab nun einen schicken neuen Geschenkeladen und ein Café. Aber einen Raum, in dem alles erklärt wird, gab es immer noch nicht, was ja auch ganz verständlich ist. Es handelt sich schließlich nur um das bedeutendste prähistorische Monument Europas und eine der meistbesuchten Touristenattraktionen in England, da wäre es doch Unfug, idiotische Summen dafür auszugeben, es interessant und lehrreich zu gestalten. Drastisch verändert hat sich, daß man nicht mehr wie früher einfach zu den Steinen gehen und »ICH LIEBE DENISE« oder dergleichen hineinkratzen kann, sondern mittels eines dezenten Absperrseils auf beträchtlicher Distanz zu dem mächtigen Steinkreis gehalten wird. Was natürlich eine erhebliche Verbesserung ist. Nun gehen die düsteren Steine nicht mehr in Horden von Tagesausflüglern unter, sondern erheben sich ungestört in ihrer einzigartigen Herrlichkeit.
So beeindruckend Stonehenge auch ist, ungefähr elf Minuten nach der Ankunft kommt der Moment, in dem man feststellt, daß man so ziemlich alles gesehen hat, was einen interessiert, und dann läuft man weitere vierzig Minuten an dem Seil entlang und betrachtet es mit einer Mischung aus Höflichkeit, Verlegenheit (man will ja nicht der erste aus dem Bus sein, der wieder geht) und dem innigen Wunsch, für sein Eintrittsgeld auch das Optimale herauszuholen. Ich wanderte schließlich zu dem Geschenkeladen zurück, schaute mir die Bücher und Souvenirs an, trank einen Kaffee aus einem Pappbecher und begab mich dann zur Bushaltestelle, um auf den 13. 10-Uhr-Bus zurück nach Salisbury zu warten.
Achtes Kapitel
Von den vielen tausend Dingen, die ich nie begriffen habe, sticht eines besonders heraus. Und zwar frage ich mich, wer der erste Mensch war, der an einem Sandhaufen gestanden und gesagt hat:
»Wißt ihr, ich wette, wenn wir ein paar Körner Sand nehmen und mit einem bißchen Pottasche vermischen und erhitzen, können wir ein Material herstellen, das hart und trotzdem durchsichtig ist. Wir könnten es ›Glas‹ nennen.« Halten Sie mich ruhig für einen Einfaltspinsel, aber mich könnten Sie bis ans Ende der Zeit an einen Strand stellen, und es würde mir nicht im Traum einfallen, Fenster-scheiben daraus zu machen.
Sosehr ich aber die wundersame Eigenschaft von Sand bewundere, sich in nützliche Dinge wie Glas und Beton zu verwandeln, ich bin kein großer Fan dieses Materials in seinem Naturzustand. Für mich ist Sand in erster Linie eine feindliche Barriere zwischen Parkplatz und Wasser. Er weht einem ins Gesicht, gerät auf die Sandwiches und verschluckt lebenswichtige Gegenstände wie Auto-schlüssel und Münzen. In heißen Ländern verbrennt er einem die Füße und bringt einen dazu, »uh, ah!« zu schreien und in einer Weise ins Wasser zu hüpfen, die Menschen mit schöneren Körpern vielleicht amüsant finden. Ist man naß, klebt er an einem wie Verputz und läßt sich nicht mal mit einem Feuerwehrschlauch abspritzen. Aber – und ist das nicht komisch? – in dem Augenblick, in dem man auf das Strandtuch tritt, ins Auto steigt oder über einen gerade gestaubsaugten Teppich läuft, fällt er ab.
Noch Tage später kippt man jedesmal, wenn man sich seiner Schuhe entledigt, erstaunliche, mysteriöserweise nie weniger werdende Häuflein auf den Boden, und wenn man die Socken auszieht, streut man weitere Mengen in die Umgebung. Von Sand hat man länger was als von vielen ansteckenden Krankheiten. Und die Hunde benutzen ihn als Klosett. Also bitte – verschonen Sie mich mit Sand.
Eine Ausnahme mache ich allerdings mit dem Studland Beach, wo ich mich nunmehr befand, nachdem ich am Tag zuvor im Bus nach Salisbury mal fix ein bißchen Brainstorming gemacht hatte. Ich grub in meinem Gedächtnis und entsann mich eines kleinen Versprechens, das ich mir vor vielen Jahren gegeben hatte: daß ich nämlich eines Tages über den Küstenwanderweg von Dorset wandern würde. Und nun, an diesem
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