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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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sonnigen Herbstmorgen, schritt ich, gerade der Fähre von Sandbanks entstiegen und einen knorrigen Wanderstab, den ich in einem leichtsinnigen Moment in Poole erworben hatte, umklammernd, an dieser majestätisch geschwungenen, wunderschönen Küste entlang.
    Ein herrlicher Tag zum Draußensein. Auf dem blauen Meer glitzerten und tanzten Funken, am Himmel trieben Wolken, weiß wie Bettlaken, und die Häuser und Hotels von Sandbanks hinter mir strahlten in der klaren Luft beinahe mediterran. Wohlgemut drehte ich mich um und ging über den festen, feuchten Sand am Meeresufer auf das Dorf Studland und die lockenden grünen Hügel dahinter zu.
    Die Halbinsel Studland ist berühmt, weil man nur dort alle sieben britischen Reptilien bewundern kann – Ringelnatter, Glattnatter, Kreuzotter, Blindschleiche, die Berg- oder Waldeidechse, Zauneidechse und Michael Portillo. Der Strand ist weitgehend FKKlern vorbehalten, was jedem Spaziergang dort zusätzlich ein gewisses Maß an Interessantheit verleiht, aber heute ließ sich keine Menschenseele auf seinen reizenden drei Meilen blicken. Vor mir lagen nichts als jungfräulicher Sand und hinter mir nur meine eigenen Fußabdrücke.
    Studland ist ein zwischen Bäumen verstreutes, hübsches kleines Dorf mit einer normannischen Kirche und ein paar wunderschönen Ausblicken auf die Bucht. Ich folgte dem Pfad um das Dorf herum und den Hügel hinauf Richtung Handfast Point. Auf halbem Wege traf ich ein Paar, das zwei große schwarze Hunde unbestimmter Abstammung spazierenführte. Die Hunde tollten fröhlich durchs hohe Gras, aber wie immer spannten sie bei meinem Anblick sofort ihre Muskeln, ihr Blick wurde stechend, ihre Schneidezähne wuchsen drei Zentimeter, kurz, sie verwandelten sich in Raubtiere. Und im Nu gingen sie auf mich los, balgten sich schon wild bellend um die Beute und kniepten mir mit schrecklichen gelblichen Zähnen in die Knöchel, die ich ihnen durch ein Tänzchen zu entziehen versuchte.
    »Holen Sie bitte Ihre Scheißviecher von mir weg!« schrie ich mit einer Stimme, die gespenstisch wie die von Minnie Mouse klang.
    Der Besitzer sprang in großen Sätzen herbei und versuchte sie an die Leine zu nehmen. Er trug eine alberne Schlägermütze und sagte vorwurfsvoll: »Ihr Stock! Sie mögen keine Stöcke!«
    »Was, attackieren sie nur Krüppel?«
    »Nein, sie mögen einfach nur keine Stöcke.«
    »Gut, aber dann sollte Ihre dämliche Frau mit einem Schild voranschreiten, auf dem steht: ›Vorsicht! Hunde sind wild auf Stöcke.‹« Ich war, wie Sie sich denken können, ein wenig erregt.
    »Hören Sie, Wertester, Sie brauchen nicht gleich persönlich zu werden!«
    »Ihre Hunde haben mich ohne jeden Grund angegriffen. Sie sollten keine Hunde halten dürfen, wenn Sie sie nicht unter Kontrolle haben. Und nennen Sie mich nicht ›Wertester‹, Sie Knirps.«
    Haßerfüllt starrten wir einander an. Einen Moment sah es so aus, als würden wir wahrhaftig handgemein werden und uns am Ende ungehörig im Schlamm herumwälzen. Als ich noch den tierischen Drang bezwang, ihm die Mütze vom Kopf zu schlagen, schnappte der eine Hund wieder nach meinem Knöchel, und ich brachte mich ein paar Schritte hügelaufwärts außer Bißweite. Dort blieb ich stehen und wedelte wie ein außer Rand Rand und Band geratener Irrer mit dem Stock. »Und außerdem haben Sie ein beklopptes Käppi auf!« rief ich dem Typen nach, der kopfschüttelnd entschwand. Dann strich ich meine Jacke glatt, versuchte mich zu beruhigen und zog weiter meines Weges. Also, wirklich.
     
    Handfast Point ist eine grasbewachsene Klippe, die plötzlich zu einer gefährlich schäumenden See etwa sechzig Meter abfallt. Es bedarf schon einer besonderen Mischung aus Dummheit und Mut, zum Rand zu kriechen und hinunterzuschauen. Direkt dahinter sind zwei einsame, unter den Namen Old Harry und Old Harry’s Wife bekannte Kalksteinsäulen zu erkennen, die Reste einer Landbrücke, die Dorset einmal mit der Isle of Wight verband. Diese liegt achtzehn Meilen weiter in der Bucht und tauchte aus einem Schleier salzigen Nebels soeben auf.
    Hinter der Landspitze kletterte der Pfad steil nach Ballard Down hoch, eine Viecherei, die einem alten ausgepowerten Wabbelbauch wie mir schon das Äußerste abverlangte, aber es lohnte sich wegen des Ausblicks, der sensationell war – als wäre man auf dem Gipfel der Welt. Meilenweit wellten sich die Bergketten von Dorset wie eine Decke, die ausgeschüttelt und nun auf ein Bett gelegt worden ist. Die

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