Reif für die Insel
ist, sind die wenigen schändlichen Entweihungen so unerträglich. Doch es hat ganz den Anschein, als würde es Schritt für Schritt besser. Erst kürzlich zwangen die Behörden einen Kinobesitzer, die Fachwerkfassade eines Gebäudes aus dem sechzehnten Jahrhundert im Stadtzentrum zu bewahren, und mir fielen sogar zwei in den dunklen Zeiten der Sechziger und Siebziger versaute Gebäude auf, die die Besitzer offenbar mit großer Sorgfalt und Mühe restaurieren ließen. Der eine Bauherr brüstete sich sogar auf dem Schild damit, daß sie das mehr oder weniger immer so handhabten. Möge die Firma wachsen und gedeihen bis in alle Ewigkeit.
Ich würde Salisbury wahrscheinlich alles verzeihen, solange sie nicht an dem Kathedralenhof herumfummeln. Ich habe absolut keine Zweifel daran, daß Salisbury Cathedral der allerschönste Bau in England ist und die Domfreiheit der allerschönste Platz. Jeder Stein, jede Mauer, jedes Gebüsch sind genau dort, wo sie hingehören. Es scheint, als hätten alle Menschen, die hier in den 700 Jahren Hand angelegt haben, die Anlage nur verschönert. Ich setzte mich auf eine Bank und betrachtete eine halbe Stunde lang die feine Komposition von Kathedrale, Rasenflächen und altehrwürdigen Häusern. Und wenn es nicht angefangen hätte zu nieseln, wäre ich noch länger geblieben. So aber stand ich auf, um mich weiter umzuschauen. Zuerst ging ich ins Museum, weil ich hoffte, daß ich an der Kasse einen freundlichen Zeitgenossen antreffen würde, bei dem ich meinen Rucksack lassen konnte, während ich das Museum und die Kathedrale besichtigte. (Ich traf einen, Gott segne ihn!) Das Museum ist großartig, und ich lege Ihnen dringend nahe, es sofort zu besuchen. Ich wollte mich gar nicht lange dort aufhalten, aber es war proppenvoll mit Funden aus der Römerzeit, alten Bildern und kleinen, maßstabgetreuen Modellen von Old Sarum und dergleichen, auf die ich immer total abfahre.
Besonders interessierte mich die Stonehenge Gallery, denn ich wollte am nächsten Morgen dorthin. Aufmerksam studierte ich die lehrreichen Tafeln. Ich weiß, es ist eine Binsenweisheit, aber Stonehenge ist wirklich eine unglaubliche Meisterleistung. Man brauchte schon allein 500 Männer, um einen einzigen der Monolithen durch die Gegend zu schleifen, und weitere 100, die daran entlangflitzten und die Rollbohlen in Position brachten. Können Sie sich vorstellen, daß Sie 600 Leute beschwatzen, Ihnen zu helfen, einen 50-Tonnen-Stein 18 Meilen über Land zu ziehen, ihn in die Senkrechte zu hieven, und dann zu sagen: »Alles klar, Jungs, noch zwanzig von den Dingern, plus ein paar Kappsteine und eventuell noch ein paar Dutzend hübsche Brocken aus Wales, und dann machen wir ein Faß auf!« Wer auch immer die Sache auf die Beine gestellt hat, verlassen Sie sich drauf, von Motivation hat er was verstanden.
Vom Museum ging ich über den breiten Rasen zur Kathedrale. Für den tragischen Fall, daß Sie noch nie dort gewesen sind, möchte ich Sie an dieser Stelle warnen. Salisbury ist seit langem die geldgierigste englische Kathedrale. Früher hatte ich wenig Verständnis dafür, wenn in kirchlichen Gebäuden die Besucher um milde
Gaben angegangen wurden. Aber als ich den Pfarrer der University Church of St. Mary the Virgin in Oxford (der am meisten besuchten Pfarrkirche in England) kennenlernte und erfuhr, daß jährlich 300000 Besucher zusammen klägliche 8000 Pfund in den Kollektekästen hinterlassen, wurde ich doch um einiges milder gestimmt. Will sagen: Diese herrlichen Gebäude verdienen unsere dankbare Unterstützung! Salisbury treibt es allerdings einen Zacken zu weit. Diskretes Animieren nenne ich das nicht mehr.
Zuerst muß man – wie im Kino – an einem Kartenhäuschen vorbei, wo man ermutigt wird, einen »freiwilligen« Obolus von 2,50 Pfund zu entrichten, drinnen muß man sich dann weiterer Attacken auf die Brieftasche erwehren. Man wird gebeten, für das Abhören einer aufgenommenen Botschaft zu bezahlen, ein Brassrubbing zu machen oder seiner Unterstützung für den Mädchenchor der Kathedrale oder die Freunde der Salisbury Cathedral Ausdruck zu verleihen. Insgesamt zählte ich zwischen dem Kartenhäuschen und dem Geschenkeshop neun verschiedene Spendenkästen – zehn, wenn man die für die geweihten Kerzen mitrechnet. Und obendrein kam man kaum durch das Hauptschiff, ohne auf mannigfaltige Hindernisse zu stoßen: Stellflächen mit Fotos, auf denen alle Kathedralenangestellten vorgestellt wurden (sie lächelten
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