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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Lieschen« –, aber sie üben eine mächtig besänftigende Wirkung auf mich aus. Ich bin felsenfest überzeugt, daß Großbritannien unter anderem deshalb so ein stabiles, anmutiges Land ist, weil die Fußballergebnisse und Seewetterberichte einen derart beruhigenden Einfluß haben.
    In so gut wie jedem Bereich des britischen Lebens entdeckt man geniale Namensschöpfungen. Schauen Sie sich doch nur die Gefängnisse an. Sie könnten mich mit einem Stift und einem unerschöpflichen Vorrat an leeren Seiten hinsetzen und mir befehlen, solch liebenswürdig lächerliche Namen für ein Gefängnis zu erfinden wie Wormwood Scrubs oder Strangeways. Niemals würde mir etwas Besseres einfallen. Selbst die gebräuchlichen Namen von wilden Blumen – Sternmiere, Echtes Labkraut, Flohkraut, Frauenminze – besitzen einen Zauber, dem ich mich nicht entziehen kann.
    Aber das größte Talent zeigen die Briten natürlich bei Ortsnamen. Von den etwa 30000 ist gut die Hälfte, schätze ich, auffallend hübsch. Es gibt zahllose Dörfer, deren Namen allein schon ein Bild von faulen Sommernachmittagen und über Wiesen flatternden Schmetterlingen heraufbeschwören: Winterbourne Abbas, Western Lullingfields, Theddlethorpe All Saints, Little Missenden. Andere Dörfer scheinen ein uraltes, vielleicht sogar dunkles Geheimnis zu bergen: Husbands Bosworth, Rime Intrinseca, Whiteladies Aston. Und manche Namen klingen wie Toilettenreiniger (Potto, Sanahole, Durno) oder Hautkrankheiten (Scabcleuch, Whiterashes, Scurlage, Sockburn). Bei einem kurzen Blick in ein Ortsverzeichnis finden Sie Düngemittel (Hastigrow), Deos gegen Schweißfüße (Powfoot), Mundwasser (Minto), Hundefutter (Whelpo) und sogar einem schottischen Fleckenentferner (Sootywells). Es gibt Dörfer, denen es vielleicht ein bißchen an der richtigen Einstellung mangelt (Seething, Mockbeggar, Wrangle), und welche mit seltsamen Phänomenen (Meathop, Wigtwizzle, Blubberhouses). Und schier unzählige Namen, die einfach nur liebenswert hirnverbrannt sind – Prittlewell, Little Rollright, Chew Magna, Titsey, Woodstock Slop, Lickey End, Stragglethorpe, Yonder Bognie, Nether Wallop und das unschlagbare Thornton-le-Beans. (Begrabt mich dort!) Ein Blick auf eine Karte oder ein Ortsverzeichnis genügt, und Sie sehen, daß Sie sich in einem Land befinden, in dem alles möglich ist.
    Manche Landesteile scheinen sich auf bestimmte Themen zu spezialisieren. Kent hat eine eigentümliche Vorliebe für Nahrhaftes: Ham, Sandwich, Rye. Dorset steht auf Figuren aus Barbara-Cartland-Romanen: Bradford Peverell, Compton Valence, Langton Herring, Wootton Fitzpaine. Lincolnshire tut ja gerade so, als sei es ein bißchen meschugge: Thimbleby Langton, Tumby Woodside, Fishtoft Drove, Sots Hole und das wahrhaft hinreißende Spitall in the Street.
    Auffallend ist, wie oft sich diese Orte zusammenballen. In einem eng begrenzten Gebiet südlich von Cambridge finden Sie zum Beispiel: Blo Norton, Rickinghall Inferior, Hellions Bumpstead, Ugley und (einer meiner Lieblinge) Shellow Bowells. Ich verspürte das plötzliche Verlangen, dorthin zu fahren, aber als ich die Karte anschaute, blieb mein Blick an einer Linie quer über der Landschaft hängen, Devil’s Dyke. Davon hatte ich noch nie gehört, aber es klang sehr verheißungsvoll. Spontan beschloß ich, dorthin zu fahren.
    Und so geschah es denn, daß ich am nächsten Morgen über eine kleine Straße am Rande des Weilers Reach in Cambridgeshire wanderte. Es war ein häßlicher Tag.
    Saunaschwaden waberten durch die Luft, und die Sicht tendierte gegen null. Unheimlich erhob sich jäh der Damm aus der grauen Suppe. Ich kraxelte hoch, eine merkwürdige, düstere Erhebung, besonders in dichtem Nebel und wenn keine Touristen da sind. Im dunkelsten Frühmittelalter ist der Devils’s Dyke vor etwa 1300 Jahren errichtet worden, ein Erdwall, der sich bis zu achtzehn Meter über die ihn umgebende Landschaft erhebt und zwischen Reach und Ditton Green etwa siebeneinhalb Meilen in gerader Linie verläuft. Leider weiß keiner, warum er Devil’s Dyke heißt. Der Name wird im sechzehnten Jahrhundert zum erstenmal erwähnt. Wie er da so mitten im flachen Moor steht, verströmt er etwas Bedrohliches, spürbar Urzeitliches, andererseits wirkt er wie ein monumentaler Prachtbau. Es erforderte ja sicher einen immensen Arbeitsaufwand, ein solches Bollwerk zu errichten, aber man muß kein Militärgenie sein, um zu erkennen, daß eine Invasionsarmee ihn nur zu umgehen brauchte. Was sie

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