Reif für die Insel
ich unbedingt wissen wollte, wo das Einkaufszentrum war, erwies sich, daß ich ungefähr dreißig Meter davon entfernt gewesen war, als ich den Stadtkern zuerst erkundet, das Gesuchte jedoch nicht erkannt hatte.
Ich seufzte, empfand aber immer noch ein unerklärliches Verlangen, diesen Ort zu sehen. Während ich also zurück durch die Fußgängerunterführungen, über den großen Parkplatz und wieder durch das leblose Ensemble der Bürogebäude eilte, fiel mir auf, was für eine herausragende planerische Leistung darin steckt, auf einem leeren Blatt Papier und mit den schier unbegrenzten Möglichkeiten, eine Modellstadt zu errichten, das Einkaufszentrum ausgerechnet eine Meile vom Bahnhof anzulegen.
Sie werden’s mir nicht glauben, aber das Ding war noch schlechter geplant als die Stadt darum herum. Es war absolut riesig – ca. 100000 Quadratmeter –, und jede Ladenkette, die es je gab oder geben wird, war mit einer Filiale darin vertreten. Wenn ich es – fix und fertig, wie ich war – nicht übersehen habe (was ich aber nicht glaube), gab es keinen Lebensmittelladen, keinen zentralen Treffpunkt, nichts Großartiges zum Sitzen, rein gar nichts, das einen angeregt hätte, sich für dieses Ding auch nur im geringsten zu erwärmen. Es war, als wäre man im größten Busbahnhof der Welt. Toiletten waren Mangelware und schwer zu finden und folglich so rammelvoll, als sei Halbzeit bei einem Fußballspiel. Ich hatte Metro Centre in Gateshead immer für das grausigste seiner Art gehalten, aber verglichen mit dem Einkaufs-Zentrum in Milton Keynes ist es ein Ausbund an Charme und nicht enden wollendem Entzücken.
Ich begab mich auf einen Kaffee in das schmuddeligste McDonald’s, das ich je zu beehren hoffe. Nachdem ich mir in der Mülldeponie, die meine Vorgänger auf dem Tisch eingerichtet hatten, etwas Platz verschafft hatte, nahm ich mit meinem Eisenbahnfahrplan und der dazugehörigen Streckenkarte Platz. Helle Verzweiflung ergriff mich, als ich entdeckte, daß meine einzigen Alternativen darin bestanden, zurück nach London oder weiter nach Rugby, Coventry oder Birmingham zu fahren. Zu nichts verspürte ich Lust. Es schien, als sei es Tage und nicht erst Stunden her, daß ich mein Mietauto in Oxford abgegeben hatte und zum Bahnhof gegangen war, mit dem schlichten Vorhaben, von Oxford nach Cambridge zu reisen und Mittagspause in Milton Keynes zu machen.
Die Zeit zerrann mir unter den Fingern. In einem entfernten, fast vergessenen Leben hatte ich an einem Küchentisch in einem Haus in Yorkshire gesessen und mir ausgerechnet, daß ich das ganze Land bequem in sechs, allerhöchstens sieben Wochen bereisen konnte, und sogar hochtrabende Pläne gehegt, praktisch alles zu erkunden – die Kanalinseln, Lundy, die Shetlands, Fair Isle und dazu alle Großstädte. Ich hatte John Hillabys Journey through Britain gelesen, und er war in acht Wochen von Land’s End bis John O’Groats gelaufen.
Mit Hilfe pfeilschneller, moderner öffentlicher Verkehrsmittel konnte ich doch sicher das meiste von Großbritannien in sechs bis sieben Wochen sehen. Aber hier saß ich, hatte schon beinahe die Hälfte der mir zur Verfügung stehenden Zeit verbraucht und war nicht einmal bis zu den Midlands vorgedrungen.
Reichlich niedergeschlagen sammelte ich also meine Sachen ein, lief zum Bahnhof und nahm einen Zug zurück nach London, wo ich wirklich wieder ganz von vorn begann. Mir fiel nicht ein, wo ich hinfahren sollte, also tat ich, was ich oft tue. Während der Zug durch die sanft gewellten, herbstkahlen Felder Buckinghamshires rollte, breitete ich eine Karte aus und vertiefte mich in die Namen. Für mich eine der tiefen, ewigen Wonnen des Lebens in Großbritannien.
Ich frage mich, ob andere Menschen auch merken, wieviel vergleichsweise größeres Vergnügen es bereitet, in einem Pub namens The Eagle and Child oder Lamb and Flag zu trinken, als sagen wir, in Joe’s Bar. Ich persönlich finde endlose Befriedigung darin. Ich lausche auch für mein Leben gern den Fußballergebnissen und dem einlullenden Verlesen von Mannschaftsnamen – Sheffield Wednesday, West Bromwich Albion, Partick Thistle, Queen of the South; welch Ruhm und Ehre stecken in den Namen –, und ich finde seltsamen Trost in der exotischen, rätselhaften Litanei der Seewetterberichte. Ich habe keine Ahnung, was sie bedeuten – »Wiking: auffrischend fünf, rückdrehend vier; Dogger: Starkwind, gleichbleibend beständig, Minches: Sturmstärke zwölf, ach, du liebes
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