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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Newmarket liegengelassen hatte.
    Als ich mich mit einem Buch hinlegte, stellte ich fest, daß die Nachttischbirne – nicht kaputt, sondern nicht vorhanden war, und verbrachte die verbleibenden Stunden des Abends bewegungsunfähig auf dem Bett liegend und eine Wiederholung von Cagney und Lacey anschauend. Einerseits war ich neugierig und wollte endlich wissen, wer oder was in dieser uralten Serie den Intendanten von BBC so betört hatte (einzig mögliche Antwort: Sharon Gless’ Busen), andererseits genoß ich ihre garantiert narkotische Wirkung. Ich schlief mit der Brille auf der Nase ein und erwachte irgendwann, als ein lauter, frenetischer Blizzard über den Bildschirm tobte. Ich stand auf, um den Fernseher auszuschalten, stolperte heftig über einen unnachgiebigen Gegenstand und schaffte das interessante Kunststück, die Glotze mit dem Kopf auszumachen. Neugierig, wie ich das hingekriegt hatte, und für den Fall, daß ich mich entschloß, es zu einem Partykunststück auszubauen, entdeckte ich, daß der Gegenstand des Anstoßes mein Spazierstock war, der gar nicht in Newmarket lag, sondern hier auf dem Boden, zwischen Stuhl und Bettbein.
    Na, wenigstens etwas Gutes, dachte ich, steckte mir zwei Walroßzähne aus Papiertaschentuch in die Nasenlöcher, um den plötzlichen Blutstrom zu stillen, und kletterte mißmutig zurück ins Bett.
     

Fünfzehntes Kapitel
     
    Ich fuhr nach Retford. Ich weiß nicht, warum. Noch während meiner Morgentoilette, dem sanften Entfernen der Taschentücher aus meinen geschwollenen Nüstern, während des Frühstücks und Auscheckens und des langen Gangs zum Bahnhof war es meine feierliche, gehorsame Absicht gewesen, Norwich und von dort aus Lincoln zu besuchen. Aber sobald ich den Bahnhof betrat und eine British-Rail-Karte an der Wand sah, packte mich jäh das eigenartige Verlangen, was vollkommen Neues anzuschauen, und Retford bot sich geradezu zwingend an.
    Die letzten sieben Jahre war ich nämlich jedesmal auf der Fahrt von Leeds nach London und umgekehrt durch Retford gekommen. Es war einer der Haupthaltebahnhöfe an der Ostküstenstrecke, doch ich hatte nie erlebt, daß dort jemand ein- oder ausstieg. Auf meinem British-Rail-Streckenplan hatte man Retford sogar Großbuchstaben zugebilligt, ihm typographisch die gleiche Stellung eingeräumt wie Liverpool, Leicester, Nottingham, Glasgow und all den anderen bedeutenden Gemeinwesen Großbritanniens, und trotzdem wußte ich nichts über die Stadt. Bevor ich ihren einsamen Bahnhof zum erstenmal vom Zug aus sah, hatte ich noch nie von ihr gehört. Ich kannte nicht einmal jemanden, der dort gewesen war oder etwas über sie wußte. Mein Book of British Towns des Britischen Automobilclubs enthielt ausführliche, wohlwollende Beschreibungen jeder noch so obskuren Gemeinde – Kirriemuir, Knutsford, Prestonpans, Swadlincote, Bridge of Allan, Duns, Forfar, Wigtown –, aber über Retford bewahrte es strengstes Stillschweigen. Sehr mysteriös und klar an der Zeit, daß ich mir diesen Ort anschaute.
    Also fuhr ich zunächst mit dem Zug nach Peterborough und von dort weiter auf der Hauptstrecke nach Norden. Ich hatte nicht besonders gut geschlafen, weil ich einen sehr beunruhigenden Traum von Cagney und Lacey gehabt und dann noch entdeckt hatte, daß ich seit 1975 keine US-Einkommensteuererklärung abgegeben hatte. (Sie drohten, mich dem Kerl zu überantworten, der sich im Vorspann das Hemd auszieht, Sie können sich also vorstellen, in welchem Zustand sich meine Bettwäsche befand, als ich, nach Atem ringend, in der Morgendämmerung erwachte.) Nun freute ich mich auf eine dieser ruhigen, einlullenden Fahrten, auf die man bei British Rail immer hoffen kann – wo die Schuhe zu Hausschuhen werden und man sanft in den Schlaf gesummt wird.
    Mit einiger Bestürzung hörte ich daher, daß hinter mir ein Handybenutzer saß. Man sollte diese Leute langsam mal wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses drankriegen, finden Sie nicht? Dieser hier nervte ganz besonders, weil er mit lauter, selbstgerechter Stimme in einem Schwachsinnsjargon so eindeutig sinnlose Anrufe tätigte.
    »Hallo, hier ist Clive. Ich bin im l0.07-Uhr-Zug und müßte erwartungsgemäß um dreizehn Uhr im Büro sein. Dann brauche ich ein Eilbriefing über das Pentland-Squire-Projekt. Wie bitte? Nein, bei Maris Pipers bin ich mitnichten auf dem laufenden. Hör mal, fällt dir ein Grund ein, warum jemand ein Arschloch wie mich beschäftigen sollte? Wie bitte? Weil ich ein Mensch bin, der

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