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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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glücklich wie ein Ferkel im Mist ist, nur weil er ein Handy hat? He, die Idee ist nicht uninteressant!« Ein paar Augenblicke Schweigen und dann: »Hallo, Liebes. Ich bin gegen fünf zu Haus. Ja, wie immer. Quatsch, dir das überhaupt zu erzählen, aber ich hab ja nun dieses Telefon und bin ein totaler Flachwichser. Ich rufe wieder aus Doncaster an. Natürlich völlig grundlos.«
    Dann: »Hier ist Clive. Ja, ich bin immer noch im Zug, aber wir hatten Probleme mit den Weichen, deshalb rechne ich jetzt eher mit einer voraussichtlichen Ankunftszeit um 13.02 Uhr, statt wie geplant um 13.00 Uhr. Wenn Phil anruft, sagt ihm doch bitte, daß ich immer noch ein totaler Flachwichser bin. Super.« Und so ging das den ganzen Morgen.
    Da stieg ich dann erleichtert als einziger der vielen Fahrgäste in Retford aus, ein so ungewöhnliches Ereignis, daß die Bahnhofsangestellten zu den Fenstern gerannt kamen. Durch dichte Regenschleier ging ich in die Stadt. Mit Freude kann ich berichten, daß Retford ein entzückender, charmanter kleiner Ort ist, selbst unter den tiefhängenden, grauen Wolken, unter denen weit gepriesenere Städte eintönig und müde wirken. Die Hauptattraktion ist ein außerordentlich großer, schöner Marktplatz, von einem malerischen Durcheinander georgianischer Häuser umgeben. Neben der größten Kirche thront eine schwergewichtige schwarze Kanone mit einer Plakette, auf der »Erbeutet in Sewastopol 1865« steht. Eine bemerkenswerte Initiative seltens der Bewohner, fand ich – schließlich erstürmen nicht jeden Tag die Einwohner eines Marktfleckens in Nottinghamshire eine Festung auf der Krim und bringen Beute heim! Auch die Läden schienen zu florieren und waren gut sortiert. Ich kann nicht gerade behaupten, ich würde gern meine Ferien dort verbringen, aber ich freute mich, daß ich es schließlich gesehen und wohlauf und liebenswert gefunden hatte.
    In einem kleinen Café trank ich einen Tee und nahm dann einen Bus nach Worksop, einer Stadt ähnlicher Größe und vergleichbaren Tempos (die im übrigen sehr wohl im AA Book of British Towns erwähnt wird). Offenbar hatten Retford und Worksop darum gestritten, wer die Hauptverwaltung des Bassetlaw District Council beherbergen sollte, und Worksop hatte verloren, denn sie war dort, und zwar, wie vorherzusehen, häßlich und kompromißlos modern. Aber der Rest der Stadt war auf eine unaufdringliche Weise doch ganz nett.
    Ich war freilich nicht hierhergekommen, weil ich Worksop besuchen wollte, sondern Welbeck Abbey in der Nähe, angeblich eines der feinsten Häuser in diesem gar nicht so großen Gebiet, das unter dem Namen Dukeries firmiert. Nur jeweils zwanzig Meilen voneinander entfernt, haben in dieser obskuren Ecke der Nord-Midlands fünf uralte Herzogtümer ihren Sitz – Newcastle, Portland, Kingston, Leeds und Norfolk. Die Linien derer von Leeds und Portland sind erloschen, die anderen, schätze ich mal, verzogen. (Der Herzog von Newcastle wohnt laut Simon Winchester in Their Noble Lordship in einem bescheidenen Haus in Hampshire. Das lehrt ihn hoffentlich, wie dumm es war, nicht in Hopsburgen und Miniaturdampfeisenbahnen zu investieren.)
    Welbeck ist der Stammsitz des Portland-Clans, obwohl auch der seit 1954 nicht mehr dort lebt – wegen eines ähnlich bedauerlichen Mangels an Voraussicht, was Abenteuerspielplätze und Kuscheltierzoos betrifft. Ich verehre ja nun schon seit langem den fünften Herzog von Portland, einen W. J.C. Scott-Bentinck (1800-1879). Der alte W. J. C. (ja, er war mir ans Herz gewachsen) war einer der großen historischen Einsiedler und scheute keine Mühe, menschlichen Kontakt zu meiden. Er lebte in einer kleinen Ecke seines Schlosses und kommunizierte mit seinen Dienern durch Zettel, die in einen besonderen, in die Tür zu seinen Räumen geschnitzten Briefkasten gesteckt wurden. Das Essen wurde ihm mittels einer kleinen Eisenbahn von der Küche in den Speisesaal gebracht. Bei zufälligen Begegnungen blieb er stocksteif stehen, während die Diener angewiesen waren, an ihm vorbeizugehen wie an einem Möbelstück. Wer diesen Befehl mißachtete, mußte auf der Privateisbahn des Herzogs bis zur Erschöpfung Schlittschuh laufen. Besucher durften das Haus und die Parkanlagen besichtigen – »solange«, wie der Herzog sagte, »sie so freundlich sind, mich nicht zu sehen«.
    Aus Gründen, die man nur erraten kann, benutzte der adlige Herr sein umfangreiches Erbe, um ein zweites Herrenhaus unter der Erde zu bauen. Bei dessen

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