Reigen des Todes
Hotel Orient. Ein Stundenhotel, in das sie sich kurzerhand einquartierten und wo sich die Moravec richtig austobte.
Als sie nach fast drei Stunden das Zimmer verließen, wurde sie vom Popovic gepackt und an die Wand gedrückt. Er presste seine Nase auf ihre und keuchte ihr ins Gesicht: »Wenn du mich jetzt wieder nur als Spielzeug benutzt, dreh ich durch. Das lass ich nimmer mit mir machen. Steffi, ich lieb dich! Und wennst willst, heirate ich dich auf der Stelle.«
Das ging der Moravec nun doch wieder zu weit. Wegen ein bisschen Spaß musste man doch nicht gleich heiraten … Und überhaupt! Auch wenn der Hansi jetzt anscheinend recht erfolgreich in dem neumodischen Geschäft mit Films tätig war, ein barockes Palais mit Bediensteten und vielerlei sonstiger Annehmlichkeiten konnte er ihr nicht bieten. Aber so hin und wieder zur Zerstreuung war der Hansi schon gut. Nur das teilte sie ihm nicht mit. Stattdessen schob sie ihn sanft von sich weg, gab ihm ein Busserl auf die Stirn und flüsterte: »Komm, lass uns jetzt wieder vernünftig sein.«
XII/2.
Klirrbummpeng! Eine wahre Kaskade von Zertrümmerungsgeräuschen erschütterte die würdevolle Stille des Collredischen Stadtpalais. Begleitet wurden diese Geräusche von einer hysterischen weiblichen Stimme, die derbe Schimpfwörter in französischer und deutscher Sprache kreischte. Nikolaus Graf Collredi schreckte aus seiner Arbeit auf und läutete nach dem Kammerdiener. Als dieser den Raum betrat, fragte ihn der Graf: »Sagen Sie, was ist denn da los? Wer benimmt sich in meinem Haus so daneben?«
Der Kammerdiener räusperte sich, verdrehte die Augen und antwortete in pikiertem Tonfall. »Exzellenz, ich fürchte, dass es sich um Ihr Fräulein Tochter handelt.«
Collredi warf seine Füllfeder aufs Papier, schnellte empor und ging eiligen Schrittes zu den Räumen seiner Tochter. Je näher er kam, desto lauter wurde der Lärm. Vor ihrer Tür standen zwei Diener und ihre Zofe. Letztere war ganz bleich im Gesicht, Tränen rannen ihr über die Wangen. Collredi herrschte die Bediensteten an. »Was steht ihr tatenlos herum? Geht S’ doch hinein und beendet S’ den Krach!«
Der Älteste der Diener machte eine Verbeugung vor dem Grafen, lüftete sein Hauskäppi und entblößte eine ziemlich große Platzwunde. »Der gnädige Herr möge mir verzeihen. Aber das ist lebensgefährlich da drinnen.«
Collredi atmete durch und befahl mit lauter Stimme: »Steht nicht herum wie die Ölgötzen! Holt sofort den Bohumil Jezek und die Stallknechte.«
Dann öffnete er die Tür und trat in den kleinen Salon ein, der sich vor dem Schlafzimmer seiner Tochter befand. Nur seiner blitzschnellen Reaktion war es zu verdanken, dass die Biedermeiervase, die in diesem Augenblick angeflogen kam, nicht auf seinem Kopf, sondern auf dem Türblatt hinter ihm zerschellte.
»Kind, was soll das?«, herrschte er seine Tochter an. Doch statt einer Antwort holte sie tief Luft und gab ein schrilles und lang anhaltendes »Iiiiiiiiii …« von sich. Ihr Gesicht glich einer verzerrten Fratze, ihre Hände waren zu Fäusten verkrampft. Collredi ging vorsichtig auf seine Tochter zu und redete beruhigend auf sie ein. Als er fast bei ihr war, drehte sie sich abrupt um, rannte in das benachbarte Ankleidezimmer und riss dort den Garderobenkasten auf. Hier flogen im wahrsten Sinne des Wortes die Fetzen. Sophie Collredi bombardierte ihren Vater mit Kleidern, Kleiderhaken, Schuhen und Hutschachteln. Zum Glück betraten nun Bohumil Jezek, der greise Verwalter, sowie zwei Stallknechte das Zimmer. Collredi befahl den Stallknechten, seine Tochter zu packen und ruhigzustellen. Die beiden kräftigen Kerle hatten ihre liebe Mühe, diese Anweisungen auszuführen. Schließlich gelang es ihnen, die Tobende zu überwältigen. Als Sophie mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lag und von beiden gleichzeitig niedergehalten wurde, sah man, dass der eine ein blaues Auge und der andere ein blutig zerkratztes Gesicht hatte. Mit beherrschter Stimme gab Collredi seinem Haushofmeister folgende Anweisungen: »Schaffen S’ meine Tochter hinunter in die Waschküche und spritzen Sie sie dort, so wie sie ist, mit dem Gewand und allem, fünf Minuten lang eiskalt ab. Dann binden S’ ihr die Hände und Beine zusammen, und lassen sie da herauf zurückbringen. Die Zofe soll ihr das nasse Gewand ausziehen, aber keinesfalls die Fesseln lösen. Falls es nicht anders geht, soll sie die nassen Kleider herunterreißen oder wegschneiden.
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