Rein Wie Der Tod
die Haare. Geflochten und hochgesteckt und drapiert. Sie musste Stunden mit der Frisur zugebracht haben. »Sie sah einfach super aus!«
Bingo, dachte Frank Frølich zufrieden. Gleich beim ersten Versuch. Heute ist mein Tag, das Glück lacht mich an. Die Studentenkneipe hatte noch nicht geöffnet, und die junge Frau bereitete alles für den Abend vor. Sie kam aus dem Norden und trug ein schwarzes Kleid mit engem Halsausschnitt und Troddeln an den Ärmeln, als wollte sie eigentlich bei einer Tanzshow mitmachen. Sie hatte auch am Freitag gearbeitet. Und die Frau mit den Afro-Haaren hatte man unmöglich übersehen können.
»Es war ziemlich spät, weil es wahnsinnig voll war, und in Oslo geht man ja vor Mitternacht nicht los.«
»War sie mit jemandem zusammen da?«
»Keine Ahnung.«
»Stand sie an der Bar oder ...«
»Nein, sie saß an einem Tisch.«
»Allein?«
Die Frau hinter dem Tresen kniff die Lippen zusammen, während sie nachdachte. »Da waren sicher ein paar Carlos am Start.«
»Carlos?«
»Kater.«
»Jemand, den Sie kannten?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Können Sie sie beschreiben?«
Sie zögerte. Solche Beschreibungen waren schwierig. »Studenten, ganz normale Typen, wissen Sie, es ist dunkel hier drinnen.«
Wie auf ein Signal wurde eine Tür geöffnet, und das Sonnenlicht fiel von draußen herein. Ein männliches Wesen mit rasiertem Schädel, tätowierten Unterarmen und weißen Waden trat herein. Er war sommerlich gekleidet, trug Shorts und ein T-Shirt, das sein Bauch fast sprengte. Eine Cola in der einen, eine DVD in der anderen Hand und im Mund eine Zeitung, wie ein Hund. »Was geht ab?« Die Zeitung fiel auf den Tresen. Boulevardpresse.
Frølich zeigte ihm das Foto von Rosalind M'Taya. Es war deutlich, dass auch er sich an sie erinnerte.
»Haben Sie gesehen, mit wem sie zusammengesessen hat?«
»Mit dem Angeber«, kam es prompt aus seinem Mund.
Das Mädchen hinter dem Tresen zuckte zusammen. Die beiden sahen sich an.
»Wer ist der Angeber?«
Die beiden sahen sich wieder an.
»Na los«, sagte Frølich nachdrücklich.
»Er macht Filme. Mehr weiß ich nicht.« Er nickte zum Mädchen hinter dem Tresen. »Du kennst den besser als ich.«
»Aber ich weiß nicht, wie er heißt«, sagte sie. »Und ich habe nicht gesehen, mit wem sie zusammengesessen hat.«
»Er macht Filme?«
»Reklame«, sagte sie.
»Blasiert«, fügte der Mann hinzu und begann, Gläser wegzuräumen. »Groß und dunkelhaarig, etwas Bart unter der Lippe und sicher mit Sixpack. Eine kleine Narbe im Mundwinkel.« Er nahm einen Schluck Cola und warf dem Mädchen hinterm Tresen ein schiefes Lächeln zu. »Die Mädels stehen drauf, er sieht damit ein bisschen brutal aus.« Er grinste.
Ihr Zeigefinger fand ein paar Staubkörner auf dem Tresen. Sie zog sie zu sich heran, eines nach dem anderen.
»Wissen Sie, wo er arbeitet?«
»Sicher bei so 'ner Filmklitsche, ist irgendwie der Typ, der BWL oder VWL studiert.«
»Westerdals Werbeschule«, korrigierte sie ihn. »Er unterrichtet da.«
Der Typ mit der Cola zwinkerte Frølich zu.
»Der Typ ist eben cool, was dagegen?«
Er duckte sich, als sie mit dem Staubtuch nach ihm schlug.
Als Frank Frølich sich ins Auto setzte und sein Handy checkte, waren zwei Anrufe von Rindal drauf. Eigentlich hätte er sofort zurückrufen müssen.
Er hatte vorgehabt, Janne Smith anzurufen. Hatte den ganzen vergangenen Tag an sie gedacht. Wollte die intime Atmosphäre nicht loslassen, die zwischen ihnen entstanden war. Okay, sie hatten sich erst ein Mal getroffen, andere hatten sie nebeneinandergesetzt. Aber so was war unwesentlich. Wichtig war, dass sie den gleichen Humor hatten, die gleiche Musik toll fanden, die gleichen Bücher gelesen und ähnliche Einstellungen hatten. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt so reibungslos mit einer Frau kommuniziert hatte. Bei der Feier neben ihr zu sitzen war eine perfekte Jamsession gewesen. Keine falschen Töne; kaum ein Bruch im Rhythmus. Ihr Lachen und ihre Blicke, dachte er. Sie schien eine fröhliche Frau zu sein. Es gefiel ihm, dass sie gern lachte, dass sie reif war, dass sie schmerzliche Erfahrungen gemacht hatte und trotzdem mit beiden Beinen auf dem Boden gelandet war. Als Teenager schwanger zu werden, und dann auch noch im Ausland - und sich trotzdem für das Kind zu entscheiden, einen Sohn großzuziehen. So etwas erforderte Willenskraft, Fürsorge, Kraft, Selbstaufopferung, Optimismus und nicht zuletzt den Glauben an sich selbst. Wenn er
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