Rein Wie Der Tod
das war ungefähr die Zeit, als Signe Herring ermordet wurde.«
»Ein Psychologe?« Lena Stigersand sah von einem zum anderen. »Ein Mensch, der in so intimer Nähe zu anderen Menschen arbeitet, seit Jahren?«
»Was meinst du damit?«
»Ein Fall hat immer zwei Seiten. Wir müssen dieser Ehefrau nicht glauben, oder? Es könnte doch auch sein, dass sie sich rächen will. Valeur hat immerhin eine Lizenz. Es gibt keine Anzeigen von Patienten.«
Als niemand von den anderen etwas sagte, fuhr sie fort: »Manche Frauen fühlen sich von gefährlichen Männern angezogen.«
Frølich und Yttergjerde wechselten einen Blick.
Lena sah es. »Bitte lasst das!«
Gunnarstranda sah sie über den Rand seiner Brille hinweg an.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Die beiden gehen mir manchmal auf die Nerven.«
Gunnarstranda ging zum Fenster und sah hinaus.
Frank Frølich ergriff das Wort.
»Wir glauben Valeurs Exfrau nicht mehr als anderen auch. Aber wir wissen, dass Valeur damals in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet und Gespräche mit Signe Herring geführt hat, wegen ihrer Essstörungen. Die Kripo hat ihn angerufen und sich danach erkundigt. Sie haben nie sein Alibi überprüft oder seine DNA. Keiner ist auf die Idee gekommen, dem Psychologen mal ein bisschen auf den Zahn zu fühlen. Und Veronika Undset hat er ein paar Tage vor ihrem Tod nach Hause gefahren. Das ist alles, was wir von ihm wissen. Außerdem wissen wir, dass Sivert Almeli Valeur am Tag, nachdem Veronika ermordet wurde, fotografiert hat. Erik Valeur ist der Mann, der zu allen drei Opfern Kontakt hatte. Signe, Veronika, Almeli. Das ist verdammt auffällig, wenn du mich fragst. Es ist auch verdammt auffällig, dass der Mann Frauen, die er liebt, verprügelt.«
»Ich fühl mich grad an den Fall Orderud erinnert«, sagte Lena Stigersand. »Es kommt mir vor, als würden wir nach Indizien suchen, nur um diese eine Spur zu untermauern. Ist es nicht noch etwas zu früh, um sich so auf den Psychologen einzuschießen? Wir wissen, dass Veronika seine Patientin war, aber das ist auch schon alles.«
»Er hatte ziemlichen Stress damit, sein Auto zu waschen«, sagte Yttergjerde und fügte hinzu: »Mir kam es schon sauber vor, als er damit anfing.«
Gunnarstranda schüttelte den Kopf.
»Valeur war in der Oper, als Veronika ermordet wurde.«
»Allein?«
»Allein.«
»Dann ist das also kein Alibi«, sagte Frølich.
»Möglicherweise reicht es aus«, sagte Gunnarstranda. »Er sagt, er habe in der Pause mit Leuten gesprochen und hat uns eine Reihe von Telefonnummern gemailt.«
»Und seine Motive?«, fragte Yttergjerde.
Gunnarstranda zuckte die Schultern. Er sah Lena Stigersand an, die sagte: »Seine Exfrau behauptet, er sei gewalttätig und habe einen Mutterkomplex, das ist alles.«
Die anderen standen auf.
Lena schlug mit den Händen auf die Tischplatte. »Das hier ist doch wie eine Wiederholung der Orderud-Geschichte auf Wunsch des Publikums. Wir glauben, dass Almeli beobachtet hat, wie Valeur irgendetwas Dubioses mit Veronika angestellt hat, und wir glauben, dass er Valeur deswegen fotografiert hat, und dann glauben wir auch noch, dass die Fotos Valeur ein Motiv gegeben haben, Almeli umzubringen. Dass alles können wir ganz einfach und schnell aus dem Weg räumen.«
»Und wie?«, wollte Gunnarstranda wissen.
»Zum Beispiel, indem ich mir einen Termin bei Valeur hole«, sagte Lena Stigersand.
Frølich und Yttergjerde, die beide schon auf dem Weg zur Tür waren, drehten sich zu ihr herum.
Totenstille breitete sich aus.
Lena verschränkte herausfordernd die Arme vor der Brust und sah sie an, einen nach dem anderen.
»Unser Job ist, herauszufinden, was tatsächlich geschehen ist«, sagte Gunnarstranda langsam. »Wir arbeiten nicht mit Provokationen, Lena. Wir wollen keine Verbrechen hervorrufen.«
»Ich rede nicht von Provokationen, ich rede von Überprüfung. Eine Stunde bei Valeur wird mir einen Eindruck verschaffen, was für ein Typ er ist.«
Niemand sagte etwas.
»Ich werde auf demselben Stuhl sitzen, in der gleichen Situation sein wie Veronika Undset«, fuhr Lena eifrig fort. »Das ist eine unschätzbare Möglichkeit, dem Mann auf den Zahn zu fühlen.«
Die anderen schwiegen immer noch.
»Wenn er Veronika umgebracht hat, dann muss in dieser Stunde irgendwas passiert sein!«
»Lena ist ein ganz ähnlicher Typ«, warf Emil lächelnd ein.
Gunnarstranda sah ihn streng an.
»Wie Veronika und das Mädchen in Senja«, fuhr Yttergjerde fort. »Rote Haare
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