Rein Wie Der Tod
dran. Als er hereinkam, war Gunnarstranda schon dabei, die anderen über den Bericht von Eugen Bendixen aus Tromsø zu informieren.
»Eugen hat mit der Ex von Valeur gesprochen. Sie ist Krankenschwester und hat gesagt, sie und Valeur hätten eine brutale Scheidung hinter sich. Sie musste vor der Trennung in ein Frauenhaus. Sie hatte vor, Valeur wegen Körperverletzung und Gewaltandrohung anzuzeigen, hat damit aber nicht ernst gemacht.«
»Wie kann es sein, dass so ein Mann als Psychologe praktizieren darf?«, wunderte sich Yttergjerde.
»Wahrscheinlich, weil sie die Schnauze gehalten und es ertragen hat. Sie wollte nicht schuld daran sein, dass er seinen Broterwerb verlor. Angeblich hat sie diese negativen Seiten an ihm erst nach und nach zu spüren bekommen. Sie haben sich auf der Hurtig-Route verabredet, nachdem sie sich im Internet in einem Chatroom für Alleinstehende kennengelernt hatten.«
»Für Singles«, korrigierte Lena Stigersand.
»Was ist der Unterschied?«
»Wenn du Alleinstehende sagst, dann habe ich einfach negative Assoziationen. Ein großer Teil von Norwegens Bevölkerung sind Singles. Es ist ein Lebensstil, Single zu sein - eine Wahl, die man trifft.«
Gunnarstranda sah sie stumm an, was dazu führte, dass auch die anderen sich zu ihr umdrehten.
»Okay«, sagte sie schließlich ärgerlich. »Ich bin Single, jetzt wisst ihr's!«
»Und was ist mit ...«, fragte Frølich.
Lena wollte gerade antworten, aber Gunnarstranda haute auf den Tisch. »Bleibt bei der Sache«, donnerte er. »Valeurs Exfrau kam aus den USA zurück, wo sie zwei Jahre lang mit einem Ölmenschen aus Houston, Texas, zusammengelebt hatte. Sie hatte den Amerikaner in Stavanger kennengelernt. Er hat bei Statoil gearbeitet, sie im Krankenhaus. Das war offensichtlich auch eine turbulente Beziehung, und sie hatten gehofft, es würde besser werden, wenn sie in sein Heimatland zögen. Aber die Beziehung hat sich in den USA negativ entwickelt. Er wurde immer brutaler, und sie kam dann vor zehn Jahren nach Tromsø zurück. Nachdem sie im Internet gechattet hatten, traf sie Valeur auf der Hurtig-Route, verliebte sich in ihn und erzählte ihm ihre traurige Geschichte. Er war sehr fürsorglich, Psychologe und so weiter. Nach einem halben Jahr haben sie geheiratet. Da war sie siebenundzwanzig und wünschte sich ein Kind. Ihren Erzählungen zufolge veränderte Valeur seinen Charakter nach der Hochzeit. Es stellte sich heraus, dass er ein notorischer Schürzenjäger war. Nach einem halben Jahr Ehe entdeckte sie, dass er ausgiebig im Internet chattete, auf Seiten mit sexueller Aktivität, was auch immer das heißt.«
»Webkameras«, sagte Yttergjerde.
Die anderen sahen ihn an.
Er räusperte sich. »Strippen, Masturbieren und so ...«
»Was ihr alles wisst!«, sagte Gunnarstranda. »Egal. Er hat es sogar fertiggebracht, von Prostituierten zu schwärmen, die er sich auf seinen Reisen hielt. Überhaupt ist er ihr zufolge eine Art Jekyll & Hyde -Verschnitt. Freundlich und einfühlsam bei der Arbeit, aber privat ein sehr unsympathischer Kerl mit einem Hang zur Dominanz. Sie meint auch, eine Erklärung dafür zu haben, nämlich dass er seine Mutter hasst. Ein Konflikt, den er bisher nicht auflösen konnte, weil er sich gleichzeitig in Frauen verliebt, die ihr ähnlich sind. Und diese Ragnhild, also die Exfrau, gehörte auch zu dieser Kategorie.«
»Und wie sieht die Mutter aus?«
Die Frage kam von Lena.
Gunnarstranda sah verwirrt auf. »Keine Ahnung, aber ich werde Eugen anrufen und ihn bitten, ein Foto von der Exfrau rüberzufaxen. Unterbrich mich nicht noch einmal. Ich werde die Geschichte kurz machen: Ragnhild wollte die Scheidung. Da hat Valeur ihr nachspionieren lassen. Von Provokateuren, die wohl versuchen sollten, sie auf der Straße anzumachen und so was. Er hatte offenbar völlig kranke Einfälle. Zuhause fing er an, sie nach diesen Episoden auszufragen und besonders über den früheren, gewalttätigen Ehemann. Er wollte alle Details hören über Sex und Misshandlungen. Das Letztere hat ihn aufgegeilt und ihn noch gewalttätiger gemacht. Nach einer solchen Szene musste sie ins Krankenhaus, und dort wurde ihr geraten, in ein Frauenhaus zu gehen. Im Frauenhaus wiederum hat man ihr geraten, Valeur anzuzeigen. Sie tat es nicht. Allerdings ist sie ausgezogen und jetzt von ihm geschieden.«
»Wann war das?«, fragte Frølich. »Wann ist sie ausgezogen?«
»Im Mai 2006«, sagte Gunnarstranda und fügte hinzu: »Ja, du denkst richtig,
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