Rein Wie Der Tod
entfernt. Telenor kann herausfinden, wen sie angerufen hat, bevor sie ermordet wurde.«
»Entfernt? Also gestohlen? Absichtlich entwendet?«
»Yes! Wie ich es im Bericht geschrieben habe. Sie hat jemanden angerufen, als ich gegangen bin. Ich dachte die ganze Zeit an ein Handy.«
»Ich auch.«
»Aber jetzt bin ich hier. Bin hergefahren, um nachzusehen. Das Telefon ist weg.«
»Telenor - rauskriegen, wer wen angerufen hat ... Das kann dauern«, sagte Gunnarstranda. »Werde mich morgen früh drum kümmern.«
39
Es war acht Uhr morgens, und Gunnarstranda schenkte sich die zweite Tasse Kaffee des Tages ein, als es an der Tür klopfte. Herein kam Lena Stigersand.
»Hei«, grüßte er sie.
»Du?«, sie maß ihn und seine Kaffeetasse mit einem resignierten Blick. »Der Kaffee im Automaten kostet eine Krone.«
Gunnarstranda schraubte seine abgewetzte Stahlthermoskanne wieder zu. »Ohne diesen Stärkungstrank hätte ich mich schon längst auf eine andere Stelle beworben. Was gibt's?«
»Nichts.« Lena konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen und trippelte auf der Stelle, wie ein Schulmädchen am ersten Schultag.
Gunnarstranda ließ sich von ihrer Stimmung anstecken und lächelte ebenfalls. »Ich seh doch, dass was ist.«
»Voilà«, sagte sie und hielt ihm eine kleine Plastiktüte hin. »Dachte nur, du könntest vielei-i-i-cht Interesse daran haben.«
Sie legte die Tüte auf den Rand des Schreibtisches.
Er betrachtete sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Haare«, sagte sie. »Erik Valeur. Die können analysiert werden, und du kannst sehen, ob seine DNA mit der von den Proben übereinstimmt, die ihr im Schrank von Almeli genommen habt.«
Gunnarstranda lächelte nicht mehr. Er stellte die Thermoskanne ab.
Unwillkürlich stellte sie sich gerade hin.
Gunnarstranda stand auf, ging an ihr vorbei und schloss die Tür. Suchte ihren Blick. »Setz dich«, sagte er kühl.
Sie setzte sich.
Er hob die Plastiktüte vom Tisch und wog sie in der Hand. »Wo hast du die her?«
»Therapie«, sagte sie. »Privat«, fügte sie hinzu.
»Du hast gehört, was ich gestern gesagt habe?«
»Das ist privat«, sagte Lena. »Ich mache eine Therapie, das ist alles. Ich habe die Haare von der Jacke genommen, die über seinem Stuhl hing. Er hat es nicht gesehen. Außerdem habe ich mir einen Eindruck von dem Mann verschafft - interessiert?«
Gunnarstranda ging wieder zum Schreibtisch und setzte sich.
Er schwieg.
Schließlich streckte er einen Arm aus und stieß gegen die Plastiktüte mit den Haaren. Die Tüte segelte in einem Bogen von der Schreibtischkante und fiel in den Papierkorb.
Lena saß da und betrachtete den Papierkorb. Schließlich sah sie auf. Ihre Blicke begegneten sich.
»Das war nun wirklich nicht nötig«, sagte sie.
Gunnarstranda antwortete nicht, sah sie nur an. Sie gehörte zu den wenigen hier im Hause, die er mochte. Er konnte sich noch daran erinnern, wie sie in den Vorlesungen gesessen hatte, die er einmal für kurze Zeit an der Polizeiakademie gehalten hatte. Lena hatte die blausten Augen, die er je gesehen hatte. Mandelförmig, harmonisch über einem leicht schrägen Nasenrücken ruhend und geschützt von langen, natürlich gebogenen Wimpern. Sie hatte wahrscheinlich auch die rötesten Haare, die er jemals gesehen hatte. Naturlocken. Unter der wilden Mähne arbeitete ein flinkes Hirn. Es bescherte dieser Frau Witz, Humor, Selbstironie, die Anpassungsfähigkeit eines Chamäleons und die besondere Fähigkeit, sich einen Überblick zu verschaffen und schnelle Schlüsse zu ziehen.
Aber ab und zu verrannte sich auch die Beste. Er räusperte sich. »Lena.«
»Ja?« Sie blinzelte. Wusste wahrscheinlich, was nun kommen würde.
»Diese Ermittlungen werden höchstwahrscheinlich in einem Gerichtsverfahren enden.«
Sie seufzte schwer wie eine Jugendliche vor der Standpauke eines Lehrers.
Er hob eine Hand, um ihre Reaktion zu dämpfen, und fuhr fort: »Wenn in einem Gerichtsverfahren ein DNA-Beweis herangezogen wird, dann muss ich oder eine andere Polizistin dem Gericht erklären, wie wir zu der Probe gekommen sind und warum wir sie genommen haben. Ich muss für den Fortschritt der Ermittlungen geradestehen, die sowohl fachlichen als auch ethischen Standards unterliegen. Private Psychotherapie, um an diese Art von Beweis zu gelangen, gehört nicht zur Kategorie der akzeptierten Regelverstöße, und das glaube ich, weißt du im Grunde auch selbst. Warum willst du nicht mehr mit uns zusammenarbeiten?«
Sie machte
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