Reinen Herzens
Leichtsinn machte sie fuchsteufelswild. Im Zeitalter von AIDS hatte man gefälligst auch im Bett seinen Verstand zu benutzen, fand sie, da gab es keine Entschuldigung. Sind Männer denn wirklich alle gleich?, fragte sie sich erbost, rutscht denn wirklich allen der Verstand in die Hose, wenn eine Frau auf ihre Avancen eingeht? So viel Ignoranz war ja nicht mal mit viel Alkohol zu entschuldigen.
»Nicht was du denkst – ich meine, sie ist eben ein Freigeist, legt sich wohl nicht gerne fest – ach, verdammt, woher soll ich wissen, was sie sich dabei gedacht hat?« Er funkelte sie ärgerlich an. Warum sollte er die Ignoranz seines Freundes und die Nymphomanie einer ihm völlig unbekannten Frau rechtfertigen? Andererseits war Magdas Wut nicht ganz unverständlich. Selbst wenn David tot sein sollte, wollte er nicht, dass sie schlecht von ihm dachte. Es war schließlich nur ein einmaliger Ausrutscher gewesen. Er selbst sah diese Dinge weit weniger eng als sein Freund. »Na ja, genau genommen, war es von ihrer Seite nur eine bescheuerte Wette …«
»Eine Wette ?« Magda glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. »Sie hat mit David gewettet? Worum denn, um Himmels willen?«
»Nein, nicht mit David, mit einem Typen von der Sitte. Er hat gewettet, dass sie David nicht rumkriegt. Unser Engel hat immerhin einen makellosen Ruf, was solche Sachen angeht. Ein aufrechter Verfechter der seriellen Monogamie … Äh, jedenfalls konnte er sowieso nichts dafür. Seine Freundin hatte ihn damals gerade sitzen lassen, und er war auf dieser Party, und getrunken hatte er auch reichlich … na ja, du weißt doch, wie es ist …« Er zog entschuldigend die Schultern hoch.
Ich glaube das alles nicht, dachte Magda aufgebracht. Ein One-Night-Stand, eine unsittliche Wette und jetzt auch noch diese typisch männliche Leier. Unerträglich. »Nein, das weiß ich nicht und will es auch gar nicht wissen. – Weiter. Was noch?«
»David war ziemlich fertig deswegen. Er machte sich Sorgen, was du zu der ganzen Sache sagen würdest. Es ist nicht ganz ohne, weißt du, Eva ist nämlich schwer krank …«
Magda starrte ihn fassungslos an. » Eva? Es ist doch nicht am Ende die Frau, deren Blut Vltavský am Tatort gefunden hat? Die Frau mit dem Revolverfeuerzeug?« Sie hatte sich an dem Abend, als Vltavský ihnen davon erzählt hatte, über den kurzen Blick gewundert, den Jirka Ota zugeworfen hatte. Jetzt wusste sie, warum. Diese verdammten Geheimniskrämer.
»Ich fürchte doch«, erwiderte Jirka kleinlaut. Jetzt war es ihm doch rausgerutscht. Mission vergeigt. Und zwar gründlich.
»Aber du meinst, es habe nichts mit mir zu tun, ja? David hat mit dieser Frau eine heiße Nacht verbracht – wenn es denn tatsächlich nur eine war – was ich, ehrlich gesagt, nicht recht glaube, so wie ich ihn und seinen Ruf kenne, das passt nicht zu ihm. Sie erwartet ein Kind von ihm und erschießt ihn auf offener Straße. Aber mit mir hat das nichts zu tun! Auf welchem Planeten lebst du eigentlich?« Sie war wütend wie schon lange nicht mehr. Sie stand auf und ging zur Tür und wieder zurück.
»Na schön, es hat mit dir zu tun. Ich wollte nicht, dass du das erfährst. Er ist tot …«
»Nein, ist er nicht!«
»Hm. Vermutlich nicht, stimmt. Aber trotzdem … er …«
»Wie soll man jemandem vertrauen, der sich so verantwortungslos verhält? Ich könnte ihn umbringen …«
»Dazu wirst du Gelegenheit haben, sobald wir ihn gefunden haben. So, wie du dich anstellst, wird es ihm leidtun, dass er die Schießerei überlebt hat.« Er grinste ironisch.
Magda funkelte ihn böse an. Für diese Art Humor hatte sie gerade überhaupt nichts übrig. Sie atmete tief ein und wieder aus und setzte sich wieder. Sie war wütend und enttäuscht, der Engel war ein Bengel. Aber diese Diskussion würde sie mit ihm führen, wenn sie ihn ausfindig gemacht hatten. Es ging Jirka nichts an. »Schwamm drüber. Du hast gesagt, sie sei krank – was fehlt ihr?«
»Nach allem, was David erzählt hat, ist sie nicht mehr ganz zurechnungsfähig – ich meine, auch ohne ihre Schwierigkeiten mit der Schwangerschaft«, erwiderte Jirka, froh, das verminte Gelände wieder verlassen zu haben. »Sie leidet an Chorea Huntington.«
Magda starrte ihn mit wachsendem Entsetzen an. »Veitstanz? Das ist ja schrecklich … die arme Frau – und das Kind?« Von einem Albtraum in den nächsten. Was für eine grässliche Vorstellung. Als Ärztin wusste Magda natürlich, worum es sich bei dieser erblichen
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