Reinen Herzens
Übliche, was man auch anderswo findet. Können Sie mir dazu etwas sagen?«
Marný beugte sich vor und überflog den Artikel. »Ach das. Das ist nichts weiter als ein bösartiges Gerücht, da ist nichts dran, glauben Sie mir.« Mit einem schwer zu deutenden Lächeln lehnte er sich wieder zurück und zündete sich eine neue Zigarette an. Mit dem Daumen seiner linken Hand drehte er an einem großen Siegelring. Ihr Blick wanderte über seine Handgelenke, die rechts eine großkotzige Armbanduhr und links ein dickes, goldenes Armkettchen zierten. Unter dem offenen Hemdkragen blitzte ein weiteres goldenes Kettchen hervor. Der Mann hatte was übrig für Schmuck, dachte sie belustigt, damit und mit seinen zurückgegelten dunklen Haaren sieht er aus wie die Karikatur eines Mafioso.
»Wer sollte denn ein Interesse daran haben, so ein Gerücht in die Welt zu setzen?«
Marný zuckte die Achseln. »Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Tut mir leid. Das müssen Sie schon diese aufgeregten Hühner von der Hilfsorganisation fragen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich habe nichts dagegen, dass die Damen versuchen, den Prostituierten zu helfen – das kommt uns sehr entgegen. Je weniger Nutten es gibt, desto besser. Ich mag es nur nicht, wenn solche Verleumdungen in die Welt gesetzt werden.« Die Spitze seiner Zigarette glühte auf, als er daran zog. Papier knisterte.
»Ich werde ganz bestimmt auch mit den Damen sprechen«, erwiderte Larissa gelassen, »aber Sie können mir vielleicht sagen, wie diese Hilfsorganisation zu ihrer gänzlich anderen Einschätzung kommt? Die haben sich das doch nicht aus den Fingern gesogen. Ich meine, sie müssen doch irgendwelche Beweise haben, mit denen sie ihre Behauptungen untermauern können.«
»Beweise haben sie – meines Wissens jedenfalls – keine. Und Beweise sind das, was wir bräuchten, wenn wir gegen so etwas vorgehen sollen.« Er drückte die nur halb aufgerauchte Zigarette aus und begann, mit der linken Hand den Siegelring auf seinem rechten kleinen Finger auf und ab zu schieben. »Wenn Sie mich fragen, Sie verschwenden Ihre Zeit mit dieser Sache. Schreiben Sie doch lieber einen Artikel über diese schöne Gegend. Wenn Sie es unbedingt blutig wollen, schreiben Sie doch über den letzten Henker von Cheb, den alten Huss. Das wäre eine Geschichte, die viel besser zu einem so charmanten Fräulein wie Ihnen passen würde.« Er lächelte überheblich.
Larissas anfängliche Sympathie für den Inspektor legte sich allmählich. Sie konnte es nicht leiden, wenn man sie von oben herab behandelte, als wäre sie ein kleines Schulmädchen. Sie bemühte sich, ihre wachsende Empörung darüber im Zaum zu halten. »Das ist sicher auch interessant, nur leider nicht sehr aktuell. Ich schreibe nicht für die Reiseseiten, sondern für die Nachrichtenredaktion. Wenn die Sache mit der Kinderprostitution nur ein Gerücht ist – Ihrer Meinung nach jedenfalls –, dann können Sie mir doch bestimmt etwas über diese zusammengeschlagenen Touristen sagen, die man im Straßengraben gefunden hat?«, wechselte sie das Thema. »Das wird ja wohl kaum ein Gerücht sein, oder?«
»Vom Ästchen aufs Stöckchen, wie? Nun, dazu gibt es nicht viel zu sagen. Das stand alles längst in der Zeitung, Sie beackern gepflügte Felder, junge Dame. Aber sei’s drum, noch mal zum Mitschreiben: Wir haben in den vergangenen Monaten insgesamt sechs Männer in diesem Zustand gefunden. Und keiner von ihnen wollte Angaben dazu machen, was ihnen passiert war. Das ist alles. Sonst noch Fragen?«
Larissa erwiderte nichts. Sie wartete geduldig ab und ließ ihn nicht aus den Augen. Schließlich beugte er sich vor, stützte sich mit den Unterarmen auf seinen Schreibtisch und verschränkte die Finger. »Sie geben nicht so leicht auf, was? Na schön, ich nehme an, dass sie Freier waren, nicht harmlose Touristen. Aber das ist, wohlgemerkt, meine ganz persönliche Einschätzung – es gibt keinerlei Beweise dafür. In allen Fällen fehlte Geld. Man hatte sie möglicherweise ausgeraubt. Aber auch das hat keiner von ihnen zu Protokoll gegeben. Ein paar von ihnen wollten dazu gar keine Angaben machen, die anderen behaupteten, sie hätten bis auf den letzten Heller alles ausgegeben. Keiner von ihnen hat Anzeige erstattet.« Er zuckte die Achseln. »Wo kein Kläger, da kein Richter. Ende.«
»Sie meinen also, die Männer seien von den Prostituierten oder deren Zuhältern ausgeraubt worden?«
» Ich meine gar nichts. Das haben Sie gesagt,
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