Reinen Herzens
sie sich David gegenüber in einen Sessel. »Was ist passiert?«, wiederholte sie leise ihre Frage von vorhin.
»Eva ist tot. Man hat sie heute Nachmittag im Amerika-See gefunden. Es kam gerade im Radio.«
»Die Eva, von der Sie mir erzählt haben?«, fragte Agáta entsetzt.
Anděl nickte. »Es ist der gleiche Name … es könnte natürlich ein Zufall sein …«
»Möglich. Aber nicht sehr wahrscheinlich. Das ist ja schrecklich. Sie war schwanger, sagten Sie …«
»Ja. Davon war im Radio nicht die Rede. Ich kann es nicht glauben – wie soll sie hierhergekommen sein?«
»Das«, erwiderte die alte Dame nachdenklich, »ist eine interessante Frage.«
Valeska kam zurück, dick eingepackt in einen Parka und eine Schneehose, und ging in die Küche, aus der sie mit einer Flasche Wein und zwei Gläsern wiederkam, die sie auf einem Tischchen abstellte. »Sie sehen mir beide aus, als könnten Sie ein Gläschen vertragen.« Sie zwinkerte ihnen zu.
»Ach, Valeska, vorhin war ein Mädchen hier, sie bat mich, Ihnen auszurichten, sie werde morgen kommen. Ihren Namen hat sie mir leider nicht verraten.«
»Hermiona war hier? Na, dann haben Sie unsere kleine Waldfee ja schon kennengelernt. Und gesprochen hat sie auch mit Ihnen? Interessant. Sie spricht sonst kaum mit Menschen, die sie kennt. Fremde ignoriert sie grundsätzlich.«
»Das ist auch gut so. Kleine Mädchen sollten nicht mit fremden Männern plaudern. Manche sind Schweine.« Er lächelte.
»Da haben Sie auch wieder recht. Aber nur manche, zum Glück. Bis später.«
Anděl wartete, bis die Tür ins Schloss gefallen war, öffnete dann die Weinflasche und schenkte ein. »Auf den verdammten Zufall.« Er trank das Glas auf einmal aus und schenkte sich nach. »Offenbar bin ich zufällig doch in der richtigen Ecke gelandet. Dank Ihrer Hilfe.« Er prostete ihr zu.
»Gern geschehen. Und was die Hilfe angeht – wenn Sie welche brauchen, lassen Sie es mich wissen. Ich kann ja schließlich nicht den ganzen Tag Yoga machen. Und gegen ein bisschen Abenteuer habe ich auch nichts einzuwenden.« Sie stießen an.
»Was die Hilfe angeht, nun, ich muss rauskriegen, was mit Eva passiert ist.«
»Wenn Sie deshalb nach Karlsbad in die Rechtsmedizin fahren, grüßen Sie Prokop Tatarka von mir. Ich weiß natürlich nicht, ob er die Leiche obduziert, aber es wird nicht schaden. Ich habe vor vielen Jahren mal im Krankenhaus in Karlsbad gearbeitet. Er ist ein alter Freund. So etwas hilft manchmal.«
»Danke für die Empfehlung. Ich werde gleich morgen früh hinfahren. Sagen Sie, dürfte ich mir Ihren Wagen ausleihen? Ich würde gerne in die Stadt fahren – mich ein bisschen umhören und nach einer Unterkunft suchen.«
»Selbstverständlich.« Sie reichte ihm den Schlüssel. »Wollen Sie wirklich umziehen? Ist das nötig?«
»Nun, ich möchte mein Glück nicht überstrapazieren. Valeska ist nämlich die Schwester meiner Freundin. Ich möchte noch eine Weile inkognito bleiben, soweit das möglich ist. Und außerdem kannte das kleine Mädchen meinen Namen – ich frage mich, woher.«
»So? Nun, dann werde ich wohl auch einen Spaziergang machen – vielleicht laufe ich der kleinen Waldfee dabei über den Weg. Möglicherweise spricht sie ja mit alten Hexen.« Sie zwinkerte ihm verschwörerisch zu. »Das Auto können Sie behalten, solange Sie es brauchen. Ich beschränke mich gerne auf Yoga und ausgedehnte Spaziergänge im Wald.«
30
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> No love songs
Larissa lehnte sich zufrieden in ihrem Stuhl zurück. Das Essen hatte gutgetan. Es war nichts Extravagantes gewesen, aber ordentliche Hausmannskost, schmackhaft und magenfüllend, wenn auch ohne nennenswertes Grünzeug. Immerhin nicht bloß Manna. John war noch nicht eingetroffen, aber sie hatte ja Zeit. Er würde schon irgendwann auftauchen, und damit wäre auch das Problem gelöst, wie sie wieder nach Cheb kommen sollte – er hatte ja einen Wagen. Die Busse fuhren, wie sie beim Blick auf den Fahrplan festgestellt hatte, nach Mitternacht nicht mehr. Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Es waren nicht besonders viele Gäste da und auch keine Band. Mit dem Tanzen würde es wohl nichts werden heute. Nun, Disco war mit diesen Gästen auch kaum zu machen. Das Durchschnittsalter bewegte sich um die sechzig, schätzte sie, und das auch nur, weil sie und die junge Kellnerin es beträchtlich nach unten korrigierten. Das Lokal war nur schwach beleuchtet, ein schummriges Licht, das alles in sanfte Töne
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