Reinheit: Chronik der Freiheit - Band I (German Edition)
Posten, die die gesamte Ebene überw achen konnten.
„Und du weißt genau, was du zu sagen hast, S erah?“, fragte mich Sam noch einmal. Sie schien mir fast nervöser zu sein, als ich es war.
Ich nickte nur.
„Kannst du es mir auch sagen?“
„Ich bin vom Innenministerium und damit beau ftragt worden, dieses Lager zu kontrollieren“, wiederholte ich fast schon mechanisch den auswendig gelernten Satz.
„Sehr gut. Du musst das schaffen.“ Für Sam ging es hier um ihre eigenen Kinder. Ich konnte ihre Nervosität also durchaus verstehen.
Der Wagen hielt mitten auf einem Feldweg an. Dies war der einzige Weg, der zu dem Lager führte und Sam wollte nicht allzu nah heranfahren. Sie hielt es für eine bessere Idee, wenn ich den Rest der Strecke laufe.
Als ich aussteigen wollte, packte sie mich an der Schulter. Ich sah ihre geweiteten Augen. „Ve rsprich mir eine Sache, wenn du meine Kinder findest, dann tust du alles, um sie dort herauszuholen, ja? Wirklich alles.“
Ich nickte so ernsthaft wie nur möglich.
Dann stieg ich aus und die Kälte des Schnees, die ich sogar durch meine Schuhe fühlen konnte, zwang mich zu höchster Konzentration.
Einen letzten Blick warf ich zurück und in das A uto, dann warf ich die Tür zu und Sam fuhr mit dem Wagen davon. Und ich blickte den langen Weg entlang. Am Horizont waren bereits die Mauern des Lagers sichtbar.
„Frau Bunansa?“, Maximilians Kopf ragte nur ein kleines Stück zwischen dem Türspalt hervor. Seine Stimme war sanft.
Die Sekretärin blickte zu ihrem Vorgesetzten auf. „Ja? Kann ich etwas für sie tun?“
„Können sie mir vielleicht sagen, wo man die beiden Kinder hingebracht hat, die wir aus diesem Auto geborgen hatten?“
Frau Bunansa hielt einen Finger in die Höhe, um anzudeuten, dass sie sofort nachschauen wird. Sie tippte blitzschnell einige Worte in den Computer vor sich ein.
„Sie wurde erst einmal in ein Lager gebracht und von dort aus werden sie dann an passende Pfleg efamilien weitervermittelt.“
„Sie werden also wie die Kinder von Bürgern b ehandelt?“, fragte Maximilian erleichtert.
Die Sekretärin nickte.
„Darf ich sie besuchen oder halten sie das für einen Fehler?“
„Naja, sie haben sie immerhin gerettet, also de nke ich, wäre es in Ordnung, sie zu besuchen.“
„Dann sagen sie meinem Piloten Bescheid.“
Es war keinerlei Problem an den Wächtern vorbeizukommen. Sie schluckten meine Lüge recht schnell, vielleicht auch dank dieser wunderbaren Uniform, die mir Sam gegeben hat.
Die Laserschranken wurden kurz abgeschaltet, damit ich gefahrlos in das Lager eintreten konnte.
Mir wurde sehr schnell klar, dass dieses Lager in irgendeiner Weise anders war, als das, in dem ich gefangen war. Ich hatte den Geschichten Bloomquvists sehr genau gelauscht, denn ich wusste nicht, ob ich vielleicht irgendwann noch einmal in solch ein Lager kommen werde.
Ein großes und wenig einladendes Gebäude o ffenbarte sich mir. Es war schlicht, in grauem Beton gehalten, sehr zweckmäßig. Einige, wenige Fenster und eine einzige Glastür waren die Verbindung des Inneren zur Außenwelt.
Als ich mich der Tür näherte, sah ich das Kuns tstoffschild, das direkt neben der Tür angebracht war.
UMERZIEHUNGSLAGER.
Dies hier war ganz sicher kein Lager für politische Gefangene und für ‚unbequeme‘ Elemente der Gesellschaft. Hat die Regierung etwa zusätzliche Lager für Kinder errichten lassen? Und wenn ja, zu welchem Zwecke werden sie umerzogen?
Die Glastüren teilten sich in der Mitte und ve rschwanden in der Wand.
Ein Geruch, wie man ihn oft im Krankenhaus vo rfindet, zieht in meine Nase. Der Geruch von Desinfektionsmittel, ein langer Gang mit weißem Stein, der mit einer Doppeltür endete.
„Kann ich ihnen helfen?“, fragte eine weibliche Stimme und zuerst konnte ich nicht eindeutig fes tstellen, aus welcher Richtung sie kam. Doch dann blickte ich an die rechte Wand und sah, dass dort eine junge Dame an einem Tresen saß. Sie lächelte mich an.
„Ich bin vom Innenministerium beauftragt wo rden, um dieses Lager routinemäßig zu kontrollieren.“
Sie nickte. „Benötigen sie eine Führung oder wo llen sie sich das Lager allein ansehen?“
„Vielleicht können sie mir helfen?“
Wieder nickte sie fast schon mechanisch, stand auf und verließ den Tresen. Wenige Sekunden später kam sie aus einer Tür heraus.
Maximilians Gleiter landete vor einer farbe nprächtigen Villa. Sie war
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