Reinheit: Chronik der Freiheit - Band I (German Edition)
Wir müssen wissen, ob das dort Soldaten sind, denn wenn nicht, dann haben wir ein Problem.“
Ich betrat müde mein Zimmer und ließ mich auf mein Bett fallen. Normalerweise wertete ich einen Einsatz immer noch einmal für mich selbst aus, aber dafür bin ich viel zu müde gewesen.
Ich suchte nach Entspannung und wälzte mich auf dem Bett Hin und Her. Immer wieder kreisten meine Gedanken um all die Dinge, die ich bislang gesehen habe.
Den Tod meines Bruders. Den Tod meiner Mu tter. Das Innenleben dieses Internierungslagers. Bloomquvists Familie und das Attentat auf diese Maschine. Die Flucht aus der scheinbaren Sicherheit. Das Lager mit diesen Kindern.
Wie unterschied sich mein bisheriges Leben schon vom Getto? Im Getto habe ich genau dieselben Grausamkeiten sehen dürfen.
„Aber der Unterschied ist, dass du dich jetzt wehren kannst. Du kannst etwas ändern, Serah.“ Die Stimme meines Bruders, sie hallte durch me inen Kopf oder vielleicht sogar durch das ganze Zimmer.
„Bislang war mein Widerstand ja eher gering“, erwiderte ich mit dem Blick zur Decke gerichtet. Ich sprach nur halblaut.
„Du bist nicht allein.“
„Nieder mit der Diktatur!“, schrien die wütenden Massen in London. Die ehemalige Hauptstadt Großbritanniens steht zeitweise in Flammen. E uropäische Truppen versuchen, die Lage irgendwie unter Kontrolle zu halten.
Notdürftig haben die armen Menschen, die hier leben, Plakate gebastelt mit dem Konterfei der Präsidentin Monroe und mit dem Gesicht von Maximilian. Sie lehnen beide als Anführer der E uropäischen Union ab.
Auf anderen Plakaten steht in großen Lettern, “HILFE DEN ARMEN!“.
Die vermummten und in schwarzer Uniform gekleideten Soldaten haben schon seit Tagen versucht die Lage unter Kontrolle zu bringen, doch sie werden von den Demonstranten mit allen möglichen Gegenständen beworfen, während sich die Regierung weigert ein klares Exempel zu statuieren.
Die gleichen Bilder findet man auch in Spanien, Italien und Griechenland. Die Menschen wollen sich nicht mehr unterdrücken lassen. Sie streben nach Freiheit und Gerechtigkeit.
„Heute haben wir wieder neue Bilder von der sogenannten Protestfront, die sich inmitten von Berlin gebildet hat“, erklärte die Nachrichtensprecherin mit einer deutlich unverkennbaren Abscheu in Stimme und Gesicht. „Diese Organisation, wenn man sie so nennen will, setzte sich aus zahlreichen Akademikern zusammen, die sich mit den Armen Europas solidarisieren wollen. Sie fordern, dass die Grundrechte eingehalten werden und dass die Eigenschaften Europas, also Schlagworte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit, eingehalten werden.“
Im Hintergrund waren Videoaufnahmen und ei nzelne Bilder zu sehen.
„Außerdem fordern auch in anderen Städten immer mehr Menschen mehr Gerechtigkeit. Sie verlangen auch eine klare Stellungnahme der R egierung zu den zahllosen Gerüchten, die sich in letzter Zeit herumgesprochen haben. Die Rede ist natürlich von den sogenannten Internierungslagern, die sich in den grünen Streifen Europas befinden. Auch wir wollten eine kurze Stellungnahme der Parlamentarier in Brüssel, doch sie lehnten ab.“
Nun wurden einige Bilder dieser vermeintlichen Lager eingeblendet. Aber eigentlich konnte man nur die hohen Mauern sehen, nicht aber die inn eren Einrichtungen.
„Schlechte, sehr schlechte Neuigkeiten“, sagte De Croon, als er Maximilians improvisiertes Büro im SATurn-Zentrum betrat.
Der Präsident war in seine Akten vertieft, las noch einen Satz zu Ende und dann schaute er nach oben. „Wir haben Flüchtlinge getötet, nicht wahr?“
De Croon sah den Präsidenten fragend an.
„Es war logisch. Wenn diese Leute keine Soldaten waren, konnten es nur Zivilisten sein und die einzigen Zivilisten, die bei Russlands Lage in Frage kämen, waren Flüchtlinge.“
„Das wird einen großen Aufschrei geben“, b efürchtete De Croon zurecht.
Doch Maximilian winkte lapidar ab. „Machen sie sich darum keine Sorgen, De Croon. Wir werden den Medien die klare Anweisung geben, diesen Vorfall zu ignorieren.“
„Ist so etwas möglich?“
Maximilian grinste. „Natürlich, warum sollte das nicht möglich sein?“
„Weil es den Prinzipien der Demokratie widerspricht, Maximilian.“
Das Gesicht des Präsidenten verfinsterte sich. „Wir haben eine sehr kritische Lage in Europa und wir können es uns unter keinen Umständen erla uben, dass noch mehr
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