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Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken

Titel: Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yannik Mahr
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„Amtsstuben“ aus „Fernsprechern“ Telefone und aus „Ablichtungen“ Kopien zu machen. Ja, sie gingen sogar so weit, direkte Arbeitsanweisungen an Bürger zu übersetzen. Aus „Bitte erhöhen Sie das Restmüllbehältervolumen entsprechend der Menge des tatsächlich regelmäßig anfallenden Abfalls von bisher 80 auf 120 Liter Gesamtvolumen!“ wurde in Bochum folgender, in seiner Schlichtheit bestimmt gegen das Grundgesetz verstoßende Satz: „Bitte bestellen Sie einen größeren Restmüllbehälter!“ Wenigstens sprechen die Beamtendeutsch-Zerstörer am Ende nicht noch von „Mülltonne“.
    Der „Restmüllbehälter“ soll offenbar genauso erhalten bleiben wie all jene Worte, die öffentliche Stellen erfunden haben, um das Leben in Deutschland schöner und friedlicher zu machen. Zu diesem Zweck ist aus dem Knüppel, den Polizisten gegen Wutbürger im Anschlag haben, der „Mehrzweckeinsatzstock“ geworden. Ein Jugendlicher, der kurz davor steht, kriminell zu werden, wird liebevoll „Schwellentäter“ genannt. Die Warnung vor weiteren Delikten heißt „Gefährderansprache“, eine Festnahme wird zur „Ingewahrsamnahme“. Hört sich „Bereicherungsabsicht“ nicht viel besser an als Diebstahl? Und nimmt eine „aufenthaltsbeendende Maßnahme“ der Abschiebung von Asylbewerbern nicht den Schrecken? Allein für „lebenslange Haft“ ist unseren Polizisten und Juristen noch kein netterer Begriff eingefallen. Wie wäre es mit „Maximal-15-Jahre-Unterbringung“?
    Solche Ratschläge braucht die Bahn, der Gralshüter der deutschen wie der englischen Sprache, natürlich nicht. Sie glänzt nicht nur mit „Abfahrauftraggeber“, „Schienenersatzverkehr“ und „Zustiegshalt“, sondern auch mit der vorbildlichen Beschreibung eines Hilfsgeräts für Rollstuhlfahrer, nachzulesen an jedem beliebigen Hauptbahnhof der Republik: „Der Rollstuhllift ist ein ortsveränderlicher Hubtisch, der ausschließlich dazu bestimmt ist, behinderte Personen in einem Rollstuhl zu befördern.“
    Eleganter hätte es selbst der Steuerberaterverband nicht ausdrücken können.

Diese Denglichkeit kotzt einem an

    Der schönste Leserbrief, den ich je in einer Zeitung gefunden habe, stammte von einem Peter Meier und beschäftigte sich mit der zunehmenden Verwendung von englischsprachigen Begriffen in deutschen Medien. Darüber regen sich viele Leser auf, aber keiner machte es so gut wie Herr Meier. Er schrieb: „Wann hören Sie endlich auf, uns diese englische Scheiße ins Gesicht zu schleudern? Diese Denglichkeit kotzt einem an!“
    Zwei Sätze, die zwei der großen Probleme unserer Zeit auf den Punkt bringen: den Umgang mit der englischen Sprache und jenen mit der deutschen Grammatik. Herrn Meier gelang in wenigen Worten, wofür Bestsellerautor Bastian Sick in seinem Buch Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod und folgende Hunderte von Seiten braucht. Sein Statement – Verzeihung: seine Erklärung – müsste Herrn Meier eigentlich den Ehrenvorsitz des Vereins für deutsche Sprache einbringen.
    So oder so führt Herr Meier seinen Kampf gegen Denglisch – Verzeihung: gegen die Denglichkeit – nicht allein. In den Redaktionen nahezu aller deutschen Tageszeitungen gehen jeden Tag ungezählte Plädoyers für den unverfälschten Gebrauch der deutschen Sprache ein. Im ganzen Land suchen Saubermänner nach deutschen Begriffen, mit denen sich englische verdrängen lassen. Kann man nicht einfach „Klapprechner“ statt Laptop sagen? „Kabellose Zwischennetzverbindung“ statt W-Lan? „Schöner Schluss“ statt Happy End? „Buntes Brettchen für den Schnee“ statt Snowboard?
    Yes, we can – Verzeihung: Ja, wir können! Wir müssen unsere Muttersprache, die Jean Paul die „Orgel unter den Sprachen“ nannte, retten! Das dazu passende Lied trägt den Titel Lasst uns stolz die deutsche Sprache sprechen! und stammt von der A-cappella-Gruppe Lalelu. Die müsste zwar korrekterweise „Sprechgesang-Formation“ heißen, aber ich bin trotzdem sehr dankbar, dass ich den Song(!) an dieser Stelle auszugsweise veröffentlichen darf.
    Warum sagst du „Chill mal, Alter!!“
    Warum nicht: Entspann dich mal!
    Warum gehst du in die „Diskothek“?
    statt ins Tanzlokal!!!
    Warum heißt es No Angels –
    für mich sind’s keine Engel!
    Der Gottschalk ist doch kein Sunnyboy
    sondern ein sonniger Bengel!
    Warum heißt es iPod
    warum nicht kleines, weißes, tragbares Musikbeschallungsgerät?
    Warum heißt es PC
    Und nicht:

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