Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken
auch anderes erwarten?“, hat mich ein französischer Freund, der mit seiner Frau drei Kinder hat, einmal gefragt.
„Wie meinst du das?“, fragte ich zurück und dachte, er würde auf die verbesserungswürdige Lage im deutschen Kindertagesstätten-System und auf die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf anspielen.
„Na ja“, sagte der Franzose, „wenn die Kanzlerin kinderlos und der Außenminister homosexuell ist, kann man von den Bürgern nicht verlangen, dass sie sich wie die Karnickel vermehren.“
Ich versuchte, das Gespräch auf Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen zu bringen, die mit ihren sieben Kindern den Schnitt der Regierung dramatisch nach oben reißt, aber mein Freund winkte ab. Wahrscheinlich aus der sicheren Überzeugung heraus, dass die Franzosen uns Deutsche bald als größtes Volk in Europa ablösen werden.
Dabei geht die Regierung bis zum Äußersten, um diese Entwicklung zu stoppen. Nun will ich nicht behaupten, dass Angela Merkel ihre Familienministerin unter Druck gesetzt hätte, auch wenn ein kleiner Hinweis auf deren Vorgängerin (von der Leyen!) gereicht hätte. Nein, die Deutschen werden mit dem einzigen Mittel ins Bett gelockt, mit dem sie wirklich verführbar sind: Geld. Genauer gesagt: Elterngeld.
Rund 15 Milliarden Euro sind bereits ausgezahlt worden, dummerweise auch an die, die sowieso Kinder bekommen hätten. Bis zu 1800 Euro erhielten Eltern pro Monat vom Staat, wenn sie einen neuen Steuerzahler in die Welt gesetzt hatten, und das im günstigsten Fall für 14 Monate. Dann musste allerdings auch der Vater mindestens zwei Monate zu Hause bleiben, um sich zusammen mit der Mutter (oder allein) um das Kind zu kümmern.
Eine tolle Idee, und ich könnte jetzt eine ganze Reihe von Kumpels nennen, die diese Regelung voll ausgenutzt haben, zum Beispiel 2008 bei den Olympischen Spielen und vor allem 2010 während der Fußballweltmeisterschaft. Reiseführer für Familien mit Babys und Kleinkindern sollen in den vergangenen Jahren hervorragend gelaufen sein, und bei den Finanzämtern dürfte es auffallend viele Ehepaare gegeben haben, die ihre Steuerklassen prophylaktisch von 3/5 auf 4/4 umstellten. Schließlich wird das Elterngeld einer jungen Mutter anhand ihres Nettoverdiensts der letzten 12 Monate berechnet. Meine Frau und ich haben beschlossen, dass wir im Fall eines Falles für mindestens zwei Monate mit dem neuen Rentenzahler nach Neuseeland verschwinden werden. Die Flüge wären dank des Elterngelds locker drin!
Die Erfindung, die natürlich auf Ursula von der Leyen zurückgeht, lohnt sich also für fast alle Beteiligten. Sie hat nur einen kleinen Schönheitsfehler: Die Zahl der Kinder pro Frau ist seitdem von 1,37 auf 1,36 zurückgegangen. [8]
Und statt sofort die Beträge zu erhöhen oder weitere Beischlafprämien zu erfinden, wird im aussterbenden Deutschland doch tatsächlich über eine Frauenquote diskutiert. Bei der Telekom gibt es sie bereits, andere Unternehmen wollen nachziehen, und immer mehr Politiker sind dafür, per Gesetz festzulegen, dass Führungspositionen gleichberechtigt unter den Geschlechtern verteilt werden. Was an sich eine gute Idee wäre, wenn es die Sache mit den unterirdisch niedrigen Geburtenraten nicht gäbe und man per Gesetz zudem beschließen könnte, dass ab sofort Männer Kinder bekommen.
Dann dürfte Guido Westerwelle meinetwegen noch eine Legislaturperiode Außenminister bleiben.
Die Lust an Listen
Das kleine Wörtchen „perfekt“ beschreibt eigentlich einen Zustand, für den man sich weder als Person noch als Volk schämen müsste. Nun sind wir Deutschen aber leider nicht perfekt, sondern perfektionistisch.
Perfektionismus hilft zum Beispiel, wenn große Sportverbände die Fußballweltmeisterschaft oder die Olympischen Spiele nach Deutschland vergeben, weil sie sicher sein können, dass die Organisatoren dort nicht eher ruhen werden, bis auch das letzte klitzekleine Detail geregelt beziehungsweise auf irgendeiner Liste vermerkt wird. „Das können die Deutschen“, heißt es im Rest der Welt dann anerkennend, „da macht ihnen keiner etwas vor.“
Das stimmt, und die Vorbereitung auf ein akribisch strukturiertes Leben beginnt bei uns früh. Kaum können Kinder lesen, werden sie mit ihren ersten kleinen Einkaufslisten in den Supermarkt geschickt („Und immer schön abhaken, was du in den Einkaufswagen getan hast, hörst du!“).
Bei uns zu Hause kamen noch die sogenannten Stärken- und Schwächen-Listen meines
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