Reise in die arabische Haut
auf das weite Meer deutet.
»Wir müssen die Rettung anrufen, da schwebt ein Mensch in Lebensgefahr. Mich regt dieser Urlaub mächtig auf.«
»Für eine Erholungszeit hättest du eine Kur beantragen sollen. Tunesien ist dafür die falsche Adresse«, doziert Khalid und wickelt sich ein weißes Frotteebadehandtuch um seinen Schoß.
»Nun ruf die Wasserwacht, aber schnell!«
Lange kann sich die untergehende Person nicht mehr über Wasser halten.
»Sicher, ich vernasche dich jetzt.« Khalid küsst mich und streichelt mir federartig den Rücken entlang.
Obwohl ein wohliger Schauer meinen Körper erzittern lässt, stoße ich meinen dunkelhäutigen Mann von mir.
»Ruf sofort die Bergung an!«
»Habibti, beruhige dich. Der Schwimmer sucht nach Tintenfischen in den Meereswogen. Sie verstecken sich in cremeweißen Tontöpfen, die auf dem Meeresgrund ausgelegt sind. Und die Kugel dient zur Orientierung.«
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.
In Tunesien befindet sich nicht alles in Not, was danach aussieht. Das werde ich in der nächsten Zeit oft erfahren. Zuweilen bringt mich das sogar in kolossale Bedrängnis.
Nun bin ich beruhigt und aufgeschlossen für Khalids Annäherungsversuche. Gefühlvoll lasse ich mich umgarnen und lande mit ihm in der zerwühlten Bettwäsche. Die Schreiner haben gute Arbeit geleistet, diesmal bleibt das Bett heil.
Im Frühstücksraum erwartet uns ein arabisches Büffet mit verschiedenen Brotsorten, Croissants, Margarine, Marmelade, Käse, tunesischem Aufschnitt, Eier, Joghurt, Sandkuchen, Baguettes und Schoko- sowie Zuckercrêpes. Die Maxi-Schüsseln mit warmen, undefinierbaren Inhalten lasse ich links liegen.
Ich sehe einen Kaffeevollautomaten und freue mich auf ein heißes Tässchen Cappuccino.
»Pah, der Kaffee schmeckt wie Knüppel auf den Kopf.«
»Mir schmeckt der Braune gut«, bemerkt Khalid, der wahrlich kein fanatischer Kaffeetrinker ist.
Dieser Kaffeeautomat fabriziert Instantkaffee aus Billigpulver. Pfui Deibel.
»Wann besuchen wir deine Sippe?«
»Wenn du fertig bist. Übrigens, meine Familie ist jetzt auch deine Verwandtschaft«, grinst Khalid.
Hektisch erhebe ich mich sofort vom klapprigen Stuhl.
Da wir viele Präsente ins Land eingeschleppt haben, benötigen wir meinen Trolley, um die Geschenke zu transportieren. Hoffentlich glauben die Hotelangestellten nicht, dass wir Handtücher geklaut haben.
Peinlich, falls sie auf den Impuls kommen, uns zu filzen. Wir haben uns nämlich zwei hoteleigene Duschtücher als Geschenk für die Familie ausgeliehen.
Wir gehen quer durch die Stadt und kommen zu einem riesigen Platz, wo unter einer hellen Wellblechbedachung zahlreiche, weiße Großraumtaxis für acht Mitfahrer warten. Diese Beförderungssysteme nennt man in Tunesien Loaget. Die Fahrer laufen auf dem Areal umher und rufen Städtenamen aus: »Monastir, Sfax, Nabeul, Hammamet, Mahdia.«
Khalid ruft in die Menge: »Djemmel, Djemmel.«
Ein Taxichauffeur kommt auf uns zu und erklärt meinem unwissenden Mann, dass er zuerst eine Fahrkarte am Schalter erwerben muss. Die Fahrt für uns beide kostet drei Dinar und zweihundert Millimes. Das sind umgerechnet rund ein Euro siebzig. Solche moderaten Taxipreise sind in Old-Germany nicht üblich. Fünfundzwanzig Kilometer, zwei Personen für knappe zwei Euro. Ein Prosit auf das günstige Tunesien.
Der Beifahrersitz wird von unserem Trolley belagert. Khalid steigt hinten ein und zieht mich mit einer Hand in den Wagen. Es ist wahrlich problematisch, allein in einen hohen Kleinbus einzusteigen, wenn man nur Kindergröße misst. Mit meinen einsvierundfünfzig nennen sie mich in Deutschland die kleine Gewalt, in Tunesien fühle ich mich weniger wert als ein nichtssagender Zwerg.
An der Frontscheibe hängen eine Gebetskette und die schützende Hand von Fatima. Aus dem Radio dudelt arabische Volksmusik. Hinter uns schwatzen zwei Männer, die letzten drei Plätze sind noch vakant.
»Wann geht‘s los, Khalid?«
Khalid kratzt sich am Kopf: »Keine Ahnung. Wir fahren ab, wenn die hinterste Sitzbank besetzt ist.«
»Tunesische Gemütlichkeit«, meckere ich und schaue dem geschäftigen Treiben zu, das auf dem Taxibahnhof herrscht.
Wider Erwarten geht es dennoch zügig voran. Zuerst kommt ein älteres Pärchen und als Nachzüglerin eine cremeweiß vermummte Araberin. Oma oder Teenager? Nicht ersichtlich? Nach dem Gazellen-Gang zu urteilen, ist die geisterhafte Erscheinung eine junge Frau.
Das Taxi bockt zweimal auf, bevor es ruckelnd seine
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