Reise in die arabische Haut
kleben.
»Warum sitzen die Kerle am frühen Morgen im Café, anstatt zu malochen? Haben sie nichts zu tun?«, frage ich gelangweilt und warte zu lange auf eine Antwort, die nicht kommt.
»Warum sieht man dort keine Frauen? Werden die zu Hause eingesperrt, oder was?« Aggressiv erhebe ich meine Stimme.
»Die Männer im Café sind Tagelöhner, sie warten auf tägliche Arbeitsangebote. Manche Geschäftsführer kommen dort vorbei und angeln sich die Leute, die sie brauchen.«
So gemütlich sieht ein arabisches Arbeitsamt-Café aus. Bequemes exotisches Land.
»Okay! Und warum sind keine Frauen im Café?«
Khalid erklärt: »Weil sie geschützt werden müssen. In diesen Cafés spielen die Männer Karten und gebrauchen oftmals unflätige Ausdrücke. Damit darf man die Frauen nicht belästigen.«
»Man kann den Frauen aber zumuten, den lieben langen Tag im Haus zu bleiben, oder?«
»Unsere Frauen sind kostbarer als Diamanten, umso behutsamer müssen sie behandelt werden«, schwärmt Khalid.
Als tunesische Frauenbeauftragte würde ich zuerst ein Café für Frauen eröffnen. Wenn das Café etabliert ist, würde ich eventuell Männer zulassen. Die Betonung liegt auf eventuell.
Geschäftig reibe ich mir die Hände. Ich bin bereit, Tunesien zu emanzipieren.
Innerhalb von fünfunddreißig Minuten erreichen wir Djemmel. An einer Zentralhaltestelle steigen wir in ein klappriges, gelbes Taxi, das aussieht, als würde es jeden Moment das Zeitliche segnen. Zusammengekauert hocken wir auf der Rückbank, während Khalid ein arabisches Schwätzchen mit dem Fahrer hält.
»Warum hast du dich nicht auf den Beifahrersitz gesetzt, wenn du dich unterhalten willst?«, rege ich mich künstlich auf.
»Denk‘ dran, wir sind ein Ehepaar und sitzen zusammen«, brummt mein Doktor zwischen den arabischen Lauten, die aus dem Radio schallen.
»Hab‘ ich vergessen.« Schmollend konzentriere ich mich auf die Kakteen, die am Fenster vorbeirauschen.
In Tunesien hat Khalid das Oberwasser. Ich besaß dieses Recht lange genug in meiner Heimat.
Zehn Minuten später verkündet ein Ortseingangsschild, dass wir in Beni Hassen angelangt sind.
Khalid besticht den Fahrer mit einigen Millimes, damit er uns zum Anwesen seiner Eltern fährt. Wir schlängeln uns durch enge, schmuddelige Gassen. Unrat schmückt den Straßenrand. Staubwolken verdüstern unseren Blick. Blumenwachstum gleich null. Hühner und Truthähne auf der Suche nach Pickfutter kreuzen den Weg. Vor den Hauseingängen tanzen bunt gestreifte, lumpige Vorhänge im Wind, während angeleinte Esel passiv an geschrumpelten Äpfeln knabbern.
Das Entree von Khalids Elternhaus erreicht man durch acht Stufen. Die Zweiflügeltür aus blauem Stahl ist eine traditionell aufwändig verarbeitete, tunesische Haustür, die zwischen hohen Mauern eingefasst ist. In der Mitte der Tür stechen die Initialen des Hausherrn deutlich hervor: ABABH. Ali Ben Amor Ben Hussein. Ben Amor, Sohn des Husseins.
Die tunesische Nachnamensgebung gestaltet sich im ersten Moment undurchsichtig. Mein Schwiegervater heißt Ali Ben Amor Ben Hussein, meine Schwiegermutter heißt El Ghozi und meine Jadda heißt Jouini. Meine Schwägerinnen heißen Ben Amor, die Frau meines Schwagers heißt Chebbi.
Wenn die tunesische Frau heiratet, behält sie den Namen ihres Vaters, ihre Kinder übernehmen den Nachnamen ihres Ehemannes und behalten ihn lebenslang. Es gibt weder angeheiratete Familiennamen noch verschachtelte Doppelnamen.
Auf dem zweiten Blick sind die Trauungen in Tunesien weniger diffizil als in Deutschland.
Unsere Eheschließung in Wiesbaden war eine mühevoll rechtliche Angelegenheit und nahm unendlich viel Zeit und Geld in Anspruch. Ein Papierkrieg, der sich über Wochen hinwegzog. Bis wir alle tunesisch übersetzten Bescheinigungen zusammengetragen hatten, vergingen sechs lange Monate. Wir entschieden uns für den gemeinsamen Familiennamen Ben Amor. Nach der Hochzeit bestellte ich kostenpflichtig einen neuen Personalausweis und einen aktuellen Reisepass. Ich musste jeder Institution meine Namensänderung bekannt geben. Schriftlich, was mit Portogebühren verbunden war, die sich nicht in jedem Fall lohnten.
Meine Krankenkasse raffte es nicht, meinen ausländischen Namen korrekt zu schreiben. Dauernd flatterten mir unakzeptable Krankenkassenkärtchen ins Haus:
Benamor
Ben-Amor
ben Amor
Ben
Amor
Bennamor
Horrible.
An meinem neuen Namen verzweifle ich noch eines Tages, denn der Briefträger wirft die Post
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