Reise in die arabische Haut
auf die Fassaden. Vor den einzelnen Türen hängen geblümte Vorhänge. Weiße und blaue Plastikstühle kündigen an, dass das Alltagsleben im luftigen Atrium stattfindet.
Links liegen die Zimmer von Jadda, meinen Schwiegereltern, von Shirin und Jamila, wobei Jadda über eine eigene Eingangstür verfügt. Geradeaus versperrt eine breite, verputzte Mauer den Blick auf die Gasse. Walda züchtet auf dem Wall Couscous und Erbsen. Hühner trippeln als Beiwerk über den Acker. Rechtsseitig kommt leichter Qualm aus der Küche. Eine kleine Nasszelle plus Toilette grenzt an den Kochraum. In der schmalen teakholzbraunen Mauer, die parallel zur Straße verläuft, sieht man einen engen Durchschlupf zum Wohnsitz von Khalids Bruder Sofienne und seiner Familie.
Alisha bewohnt mit ihrem Mann Saboor und ihren Kindern Yasser und Houda eine eigene Kate am anderen Ende der Stadt. Heute ist ein Festtag, denn die Deutschen fallen ein. Deshalb sind Alisha und die Kinder zur Stippvisite in der Ben Amor Villa.
Vor Jaddas Zimmer steht eine alte Holzliege mit einer dünnen Matratze. Ihre Mittagsschlafstatt unter freiem Himmel.
Inmitten des Hofes ragt eine halbhoch gezogene, runde, betonierte Feuerstelle empor. Daneben türmen sich Olivenzweige zu einem Dickicht. Ich schaue mir die Zementierung genauer an. Walda kommt zu mir, führt ihre Hand zum Mund und grunzt: »Hm, hm.«
Sie reibt ihre Krallen über den vorgewölbten Bauch.
Khalid schreit herüber: »Sie backt in dem Feuer traditionelles Brot und das schmeckt echt köstlich.«
Wie ein Ofen sieht diese Feuerstelle nicht aus.
Walda zeigt mir stolz eine graue, nicht zu übersehende Satellitenschüssel, die drei Quadratmeter des Hofes einnimmt.
Da der warme Wind schwungvoll über unsere Köpfe hinwegbraust, ziehen wir nacheinander die Schuhe beziehungsweise Schlappen aus und stiefeln schleppend ins Wohnzimmer. Ich grübele kurz darüber nach, ob wir gemeinsam in diesem Raum Platz finden. Verzichtbarer Denkprozess. Neben zwei aufgebauten Bettsofas liegen drei Matratzen auf dem Fliesenboden. Platz ist in der kleinsten Hütte. Während in einer Ecke das Statussymbol der Familie steht, ein 26-Zoll-Farbfernseher, hängt oben an der Wand ein unförmiger, weißer Kasten.
»Klimaanlage«, beantwortet Khalid meine unausgesprochene Frage.
Von der Zimmerdecke beleuchtet eine moderne, dunkelbraune Ventilatorlampe mit aktuell hässlichen Energiesparbirnen die dämmrige Wohnstube. Eine Lichtquelle, wie sie in jedem Neckermann-Katalog zu finden ist.
Die kahlen Wände sind kalzitfarbig gestrichen und erzeugen ohne schmückende Bilder eine unbehagliche Kälte. Dafür kommen die zigarrenbraun glänzenden Holztüren wunderbar zur Geltung. Ich bestaune die geschnitzten Ornamente.
Außer der gehandicapten Jadda und meiner Wenigkeit flegelt sich der Rest der Verwandtschaft auf den karierten Matratzen.
Jadda und ich sitzen eng aneinander geschmiegt auf dem Sofa.
Der große Moment bricht an. Khalid öffnet umständlich meinen Trolley. Die Kinderaugen starren auf den Kofferinhalt. Auch die Blicke der Erwachsenen schaukeln ungeduldig zwischen Khalid und dem Trolley hin und her. Außer Stofftüten ist nichts zu entdecken. Das Highlight folgt. Onkel Doktor räumt das Gepäck aus. Jeder der Erwachsenen bekommt eine Tasche. Für die Kinder habe ich kleine Rucksäcke gekauft, darin Autos, Malsachen, Steckspiele und Schokobonbons versteckt. Walda bekommt Nugatpralinen, Duschlotion, Fußbalsam gegen Schrunden, ein kleines Radio und ein Chi-Massage-Gerät für den Kopf. Meine Schwägerinnen kriegen zum Teil Handys, Schminkutensilien sowie Körperpflegeartikel und exquisite Schokolade. Weiße Schokolade aus Germany ist in Tunesien heißbegehrt, da man diese hier nicht kaufen kann.
Jadda verbirgt ihr Gesundheitspäckchen unter dem Glockenrock. Franzbranntwein, Rheumacreme, Paracetamol, Schokolade, Kekse, eine elektrische Zahnbürste und ein Zimmerheizgerät für den Winter werden ihr Leben bereichern.
Die Kinder spielen Autorally mit den neuen Fahrzeugen. Die jungen Frauen probieren ihre Handys aus und Walda versteckt ihre Tasche im Schlafzimmer. Nur unsere Jadda fällt aus dem islamischen Raster.
Zuerst will sie wissen, wofür der Franzbranntwein gut ist. Vorsichtig lässt sie ein paar Tropfen auf ihren Handrücken rinnen, um sie vorsichtig abzulecken. Khalid prasselt mit einer arabischen Schimpftirade auf sie ein. Arme Jadda. Sie sieht mich auffordernd an und ich nicke ihr zustimmend zu. Ruckzuck entblößt
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