Reise in die arabische Haut
damit basta.«
Die Sekunden für ein Tränenbad sind gekommen. Ich schluchze auf Teufel komm raus.
Khalid fischt eine kleine, weiße Pille aus seiner Notfallpackung. »Hier, nimm das, damit du dich abregst.«
Beruhigen? Ich werde mich nicht eher einkriegen, bis ich sein Okay für Tunesien bekomme.
»Bitte«, schniefe ich. »Ich werde dich auch später in die Moschee begleiten.«
Mir fallen jede Minute neue Dankbarkeitsideen ein. Zwischendurch lasse ich meine Tränen sprechen. Innerhalb kurzer Zeit döst Khalid über meine süßen Angebote ein.
Ich darf ihn keinesfalls wecken, denn bisher hat er noch nicht beim Flughafen angerufen. Somit ist alles offen. Ich bleibe meinem Ziel, hierzubleiben, treu.
Frauensolidarität
Zu noch dunkler Morgenstunde rumort Khalid im Badezimmer.
Es werde Licht. Woher der Strom kommt, ist immer noch ungewiss. In Tunesien kommt er bestenfalls aus der Steckdose und damit gebe ich mich hier zufrieden.
Anstelle eines höflichen »Salam« brummt Khalid: »Mist, ich muss den vergessenen Koffer aus Beni Hassen holen.«
»Ich komme mit«, rufe ich optimistisch aus und springe aus dem Bett.
Nach einer heißen Tasse Kakao und einem Schokocroissant befinden wir uns, wie tags zuvor, auf dem Weg in die beschauliche Olivenstadt. Wir schunkeln im Bus zu Khalids Familie.
Mutter und Oma sind überrascht, als wir auftauchen. Ich laufe zu Jadda, die extra für mich ihr Beten unterbricht. Ich drücke sie innig an mein Herz. Als ich daran denke, dass ich sie vorerst nicht wiedersehen werde, beginne ich, wie der Rheinfall von Schaffhausen zu plärren. Jadda schaut mir perplex in die Augen. Solidarisch kullern auch ihr einige Tränen über die Wangen. Walda steht verwirrt im Innenhof und fragt ihren Sohn, was mit mir los sei.
Khalid winkt abwertend ab.
Shirin, die gerade Wäsche aufhängt, singt lauthals arabischen Pop.
Die schwarz gekleidete Jamila kommt aus dem Wohnzimmer. Ihren Gebetsteppich hält sie in den Händen.
Als ich sie sehe, keimt in mir Hoffnung auf. Sie spricht englisch, nicht perfekt, aber verständlich. Ich werde mich ihr anvertrauen.
»Please help me. I want to stay here, because Khalid has to go home. I have to go with him, but I don’t like this.«
»Oh«, ruft sie konsterniert. »You want to stay at us?«
»Yes, I do«, flehe ich.
Jamila dreht sich um und redet auf Walda, auf Jadda und auf ihre Schwester ein. Ihre Augen glitzern wie zwei schwarze Turmaline. Schade, dass ich kein Wort verstehe. Die Frauen quatschen kunterbunt durcheinander.
Lächelnd kommt Walda auf mich zu. Sie gibt mir ein Zeichen, dass ich ihr folgen soll. Als ich neben ihr stehe, schubst sie mich in die kleine, voll gestopfte Rumpelkammer, die ich gestern zufällig entdeckt habe. Meine Schwiegermutter strahlt wie eine Rose mit Tautropfen und grinst über das breite Gesicht.
»This will be your room«, sagt die kopftuchfreie Jamila, die uns auf leisen Sohlen gefolgt ist.
Mein Zimmer! Vor Freude springe ich in die Luft. Sie sind einverstanden, dass ich bei ihnen lebe. Nun müssen wir nur noch eine Hürde überwinden. Wie überzeugt man konstruktiv einen Psychiater, der zudem mein Ehemann ist?
»I want to live here, because I’ll learn much more about your culture.«
Khalid, der an einem Fenchelblatt knabbert, kommt auf mich zu.
»Was ist hier los?«, fragt er mit scharfer Stimme.
Ich verdrehe die Tatsachen um hundertachtzig Grad. »Deine Familie besteht darauf, dass ich hierbleibe. Walda will mir das arabische Kochen beibringen. Sie hat mir soeben mein zukünftiges Zimmer gezeigt.«
Khalid rauft seine kurzen Haare: »Du spinnst komplett. Mit wem willst du hier reden? Hier spricht niemand deine Sprache. Du kommst mit nach Hause.«
»Nein, du kannst nicht über mich bestimmen. Ich bin eine deutsche, unabhängige Frau und werde eure Frauen auch emanzipieren.«
Unser Wortgefecht weitet sich bis in jede Kleinigkeit aus. Erst als sich Walda zwischen uns stellt, und Khalid anschreit, lässt er mich in Ruhe.
»Was hat sie gesagt?«, frage ich Jamila auf Englisch.
»She says, she will go to the advocate, if he don’t stop to roar.«
Advokat ist Waldas Liebling. Später erfahre ich, dass Walda ständig mit dem Anwalt droht, wenn ihr irgendetwas gegen den Strich geht.
Ich stopfe mir beide Zeigefinger in die Ohrmuscheln, denn die Lautstärke des arabischen Zorns übertrifft jeden Kanonenschlag. Khalid kauert verschüchtert im Kücheneingang. Hat er Angst vor Mamas Liebling?
Ich halte mich
Weitere Kostenlose Bücher