Reise in die arabische Haut
geschworen, gut auf dich aufzupassen.«
Allein auf weiter Flur
Allmählich kommen mir Zweifel, ob alles richtig ist, was ich angezettelt habe. Nun bin ich in diesem islamischen Land allein auf mich angewiesen. Vielleicht ist dieser Landeswechsel der fehlende Punkt, der meine Krankheit vollauf heilt. Ein Experiment, das es eventuell wert ist.
»Ich bringe dich zum Busbahnhof. Dort wartest du auf meinen Vater. Er fährt einen kornblumenblauen Mercedes.«
Mercedes in Tunesien, das hört sich stinkreich an. Mercedes in meiner Verwandtschaft lässt meinen Schwiegervater in seiner Achtung noch mehr steigen.
Heimliches Küsschen auf den Mund.
»Halt dich tapfer, Kleine. Mach keine Alleingänge. Benimm dich anständig und lerne, zu kochen. Hüte dich vor den Beznessern.«
»Ja, ja«, verspreche ich lapidar und winke Khalid hinterher, dessen Taxi in der Ferne entschwindet.
Allein auf weiter Flur fühle ich mich nicht wohl. Die vermummten Leute auf der Straße, das arabisch dröhnende Geschnatter und die auspuffdefekten Busse, die einen fast über den Haufen rollen, ängstigen mich. Ich setze mich auf meinen Trolley und hoffe, dass mich niemand anpöbelt. Aus weiser Voraussicht habe ich mir heute Morgen einen Langarmpulli angezogen, um keinen Missmut bei meiner Familie zu erwecken.
Die Menschen laufen winterlich vermummt über den Platz. Dabei haben wir heute dreiundzwanzig Grad mit wärmendem Sonnenschein. Ich fühle mich in meinem dünnen Pulli verschwitzt und bedauere die weiblichen, dick angezogenen Wesen in Tunesien. In ihrer wollenen Bekleidung werden die Ladys schwitzen wie mein Exkollege Karl-Otto in der Sauna. Der transpiriert so immens, dass ihm zeitweilig das Brusthaar abfällt.
Hier leben die Menschen diktatorisch nach dem Kalender, der noch auf die Jahreszeit Winter hinweist, obwohl die Temperaturen eine frühlingshafte Witterung prophezeien. Als Kind musste ich auch in dicken Strumpfhosen herumlaufen, wenn der Winter noch nicht vorbei war. Auch dann, wenn das Thermometer 25°C im Schatten anzeigte.
Verwundert wache ich aus meinen Überlegungen auf, als ein blaues Vehikel quietschend einen Zentimeter vor meinen Füßen hält.
Am hochpolierten Stern erkenne ich, dass Ali Baba eingetroffen ist. Unter dem Wort Mercedes habe ich mir ein imponierendes Automobil vorgestellt. Alis Auto ist ein Oldtimer-Modell. Baujahr schätzungsweise 1970. Eine antike Rostlaube mit zerbeulter Fahrertür.
»Salam, baba.«
»Wa aleikum al salam, bent.«
Der Innenraum des Fahrzeuges sieht nicht besser aus als die Karosserie. Auf der Rückbank stapeln sich Olivenzweige. So staubig wie die Sitze sind, dient der Mercedes als Transporter für Nutzgüter jeglicher Art.
Während der Fahrt dudeln traditionelle Gesänge durch den Wagen. Die Musik passt mir in den Kram, denn ich kann mich sowieso nicht mit Baba unterhalten. Ich habe eine Vision vom Turmbau zu Babel, als Allah den Menschen die differenzierten Sprachen gab. Streiten war in dem Fall unmöglich, denn niemand verstand sein Gegenüber. Da Baba meine Sprache nicht versteht, kann ich ihn nicht mit deutschen Freveltaten reizen.
Vorteilhaft.
Ab und zu zeigt Baba aus dem Fenster. Ich nicke verstehend. Er präsentiert mir Moscheen, Palmen sowie seine Autowerkstatt in Djemmel. Der rauchende Sofienne, der vor der Werkstatt mit einem Hexenbesen kehrt, winkt uns lässig zu. Ich grüße höflich zurück.
Willkommen im arabischen Land
Shirin und Jamila warten grinsend vor dem verschnörkelten Torbogen, als wir in Beni Hassen ankommen. Baba öffnet den Kofferraum, damit Shirin mein Gepäck herausholen kann. Jamila zieht mich an der Hand die Treppe hoch.
»Welcome«, flüstert sie in mein Ohr.
»Merci.«
Das Spektakel beginnt …
Baba zerrt die Olivenzweige aus der Karre und wirft sie neben den Zementofen.
Genau wie gestern schnalzen Jadda und Walda schrill mit den Zungen. Mehdi bläst in seine Plastiktrompete. Heraus quellen unklare Töne. Die lütte Latifa stolpert bimmelnd über den Hof. An das Glöckchen, welches an ihrem Kleidchen hängt, muss ich mich erst gewöhnen. Sie trägt es täglich, denn so erfährt Mama Nayla, wo sich das Kind gerade befindet. Abhauen zwecklos.
Durch das laute Getöse schnappen die Nachbarn auf, dass sich bei den Ben Amors eine Sache abspielt, die nicht jeden Tag vorkommt. Die Familie bekommt deutschen Zuwachs.
Jadda und Walda planen erneut einen Anschlag mit nassen Küssen. Ich habe alle Hände voll zu tun, sie abzuwehren.
Mehdi
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