Reise in die arabische Haut
diskret im Hintergrund und lasse vereinzelt ein paar Tränchen von meiner Nasenspitze tröpfeln.
»Ihr habt gewonnen«, sagt er nach einer Weile. »Wie lange willst du bei diesen chaotischen Weibern bleiben? Von mir aus kannst du dich für immer hier einnisten.«
»Zwei, drei Monate. In dieser Zeit werde ich allerhand Informationen über dieses arabische Land und seine Einwohner sammeln.«
»Drehen wir es um. Du wirst vielerlei unsinniges Zeug mitkriegen. Es ist eine Kultur, die du nicht gewöhnt bist. Ich behaupte sogar, dass dieses Land noch eine Prise Entwicklung braucht.«
Khalid schraubt seine Wasserflasche auf und lässt einen kräftigen Schluck geräuschvoll durch die Kehle laufen. »Halte mir später nicht vor, dass ich dich nicht gewarnt habe. Okay, du willst es nicht besser. Sieh zu, wie du klarkommst. Ich lasse deinen Rückflug offen. Lass es mich wissen, wenn du genug von Tunesien hast. Ich hole dich dann ab.«
Überglücklich falle ich ihm um den Hals. »Shukran Habibi, das vergesse ich dir nie.«
»Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Dein Bücherschreiben kannst du auf Shirins PC erledigen.«
»Nein, ich lege eine schöpferische Pause ein und integriere mich stattdessen in den tunesischen Alltag.«
»Ich gebe dir zweihundert Dinar, die kannst du für Medikamente unter deiner Matratze bunkern. Ich schreibe Jamila die Adresse eines guten Psychiaters auf, falls Bedarf besteht. Seitens Walda brauchst du dir keine Gedanken machen. Sie wird für Essen, Trinken und Kleidung sorgen.«
»Danke schön, Herr Doktor.«
Aus dem Blickwinkel sehe ich, dass Walda und Jadda mein zukünftiges Zimmer ausmisten. Ist meine Familie nicht total süß? Hier wird nichts auf die lange Bank geschoben.
»Wie willst du dich hier überhaupt verständigen?«
»Zeichensprache geht immer und überall. Außerdem habe ich noch Jamila, mit der ich mich auf Englisch unterhalten kann.«
»Ich frage dich zum letzten Mal: Ist es dein freier Wille, hierzubleiben, obwohl es verdammt kompliziert wird?«
Ich hauche ein knappes »Ja« und komme mir vor, als stünde ich abermals vor dem Traualtar, um hier und jetzt eine Allianz mit Khalids tunesischer Verwandtschaft einzugehen.
»Okay, ich rufe jetzt im Flughafen an und frage, wann die nächste Maschine abhebt.«
In dem Flieger, der am späten Nachmittag nach Frankfurt startet, ist kurzfristig ein Platz frei geworden.
»Siehste, würde ich mitfliegen, kämen wir heute gar nicht mehr aus dem Land heraus.«
»Oui, alles hat seinen Sinn im Leben.«
Auf dem kürzesten Weg düsen wir mit drei verschiedenen Taxis ins Hotel zurück. Mein Trolley ist schnell gepackt, dabei fallen mir zahlreiche Werbeflyer von meinem Krimi in die Hände. Auf den Klappkarten ist eine Skyline, ein Kommissar und ein Sarg, indem eine Leiche liegt, zu sehen. Eine bildliche Information, dass es um Leben und Tod geht. Hätte ich gewusst, dass mich diese Totenkiste später in Misskredit bringt, hätte ich die Flyer lieber entsorgt.
Vorerst nehme ich die Flugblätter mit nach Beni Hassen. Wer weiß, wozu sie noch nützlich sind.
Es ist fünf vor Flug, als wir aus dem Hotel auschecken. Für Khalid bleibt keine Zeit mehr, mich nach Beni Hassen zurückzubegleiten.
Bepackt mit unseren Koffern und Taschen verharren wir auf dem holprigen Bürgersteig und wissen nicht weiter. Khalid ist ungehalten, weil er dringend zum Airport muss, um den Flug nicht zu verpassen. Ich bin grantig, weil ich jetzt mutterseelenallein in Sousse pausiere und nicht weiß, wie ich nach Beni Hassen kommen soll.
Soll ich mich ohne Orts- und Sprachkenntnisse im Alleingang durch halb Tunesien schlagen, um meine neue Familie zu beehren? Ich bin verraten und verkauft auf Allahs tunesischem Ackerboden.
Khalid schreit vehement ins Handy, sodass zwei Chapatty-Bräter auf die Gasse strömen und uns verkohlte Fladen anbieten.
»Mein Vater holt dich in einer halben Stunde ab. Es war äußerst schwierig, ihm zu schildern, was momentan in deinem Kopf vorgeht.«
»Ist er verärgert, weil wir ihn nicht gefragt haben, ob ich bleiben darf?«
»Logisch, du hast seine Stellung als Familienoberhaupt untergraben. Er hat behauptet, dass er gegen Jadda und Anhang pausenlos den Kürzeren ziehe. Jetzt noch ein Weib dazu sei sein Untergang.«
Ängstlich stottere ich: »Wir hätten ihn zuvor fragen müssen.«
Khalid hält sich glucksend die Hand vor dem Mund. »Quatsch Cherie. Er freut sich, dass er eine Tochter dazubekommt und er hat auf dem Koran
Weitere Kostenlose Bücher