Reise in die arabische Haut
Erkrankung stieß mich vollends ins Abseits. Als Außenseiterin stand ich lange unter Beschuss. Erst als mir Khalid begegnete, wandte sich mein Blatt.
Hoffnung und Liebe bestimmten fortan meinen Alltag. Plötzlich nahmen mich Menschen wahr, die zuvor keinen müden Blick an mich verschwendeten. Als mein Kriminalroman das Licht der Welt erblickte, konnte ich die angeblichen Freunde nicht mehr zählen. Bekannte und Verwandte versuchten sich gut mit mir zu stellen, um ein Exemplar gratis zu bekommen. Nach jahrelanger Ignoranz der jetzt interessierten Leute stellte ich mich stur und verzichtete darauf, mein Erstlingswerk zu verschenken. Nacheinander verabschiedeten sich die Pseudo-Gefährten. So trennte sich die Spreu vom Weizen, wobei Khalid der Weizen war und der Rest der Welt die unnötige Spreu. Fortan lebte ich in meiner introvertierten Welt vor dem Computer und bastelte Geschichten, die mein zerstreuter Geist mir eingab.
»Laka«, grunzt Jadda und lässt sich vor dem Zaun ins Gras plumpsen.
Glücklich hebe ich meinen Kopf. Meine Jadda hat mir das schwarze Schaf geschenkt. Mit einer Million hätte sie mich nicht glücklicher stimmen können.
»Ala kol chai.« Ich bedanke mich für das tierische Geschenk, das mit Herz und Seele zu mir passt. Einfachheitshalber taufe ich mein Schaf auf den Namen Blacky.
Ich verspreche, für ein langes Leben meines Schafbockes zu kämpfen. Er darf niemals geopfert werden.
Ich hole mir bei Jadda Bestätigung. »Blacky la johkal.«
Jadda ist einverstanden und schüttelt mit dem Kopf: »Noadek.«
Mit dem Esel und dem schwarzen Schaf habe ich zwei Seelenverbündete gefunden, denen ich in deutscher Sprache mein Herz ausschütten darf.
Walda wundert sich, dass ich regelmäßig mit Jadda auf Tour bin. Ein innerer Zwang treibt mich täglich zu Blacky, um zu schauen, ob er noch auf der trockenen Weide grast. Jadda hat unseren Deal nicht verraten. Meine tunesischen Spezies dürfen zwar alles essen (außer meinen Blacky), aber nicht alles wissen.
Als wir am Dorfrand entlang gehen, fliegen die berühmten Plastiktüten wie Drachen übers Feld. Der herumliegende Unrat türmt sich zu hohen Bergen auf und sieht verboten aus.
Mitten auf dem lehmigen Feldweg liegt ein toter Esel.
Jadda stößt schrille Unkenrufe aus, um die Tierentsorger herbeizurufen. In wenigen Minuten kommt ein Eselskarren angetrabt. Die zwei kräftigen Tunesier werfen die Tierleiche pietätvoll auf den Karren und entfernen sich genauso rasch, wie sie gekommen sind.
Wenn im Ort ein Trauerfall eintritt, stoßen die Angehörigen schrille Klagelaute aus, um die Anwohner zu informieren. Mitunter kreischen alte Leute, wenn ein Kauz gezielt in der Dämmerung mehrmals um das Haus fliegt und sich niedersetzt. Ein Sprichwort sagt, dass sich damit ein baldiger Todesfall in der Familie ankündigt.
Zeitungen sucht man hier vergebens. Wozu braucht man eine Tagespresse, wenn die Buschtrommeln erstklassig funktionieren.
Frauenhaus
»Taala Olive.«
Walda greift meine Hand und zieht mich zum Tor.
»We are going to the Womenhouse«, bemerkt Jamila. Ich wusste bisher nicht, dass es hier in Tunesien auch Frauenhäuser gibt.
Ich verbinde mit dem Ausdruck Frauenhaus: Schutz vor häuslicher Gewalt. Schutz vor handgreiflichen Männern. Ein Übergangswohnheim für misshandelte Frauen. Aber was soll ich in einem Frauenhaus?
Hat meine tunesische Familie genug von mir? Wollen sie mich abschieben? Ich muss dringend einen Ausweg finden, um Khalid anzurufen, damit er mir ein Rückflugticket schickt.
Nur ungern lasse ich mich ins Taxi ziehen.
Im nächsten Ort halten wir vor einem großen, verzierten Portal eines cremeweißen Altbaus. Vor der Tür bietet eine Marktschreierin Halwa chamia und gezuckerte heiße Mandeln an. Gleichzusetzen mit pulverisiertem türkischen Honig und deutschen gebrannten Mandeln, die man auf der Kirmes kaufen kann. Ich probiere ein kleines Stückchen vom Pistazien-Halwa, das außerordentlich lecker schmeckt. Walda kauft mir eine kleine Tüte Schleckerkram.
Von jetzt auf gleich stöckeln wir in einen kunstvoll verschnörkelten Innenhof. Der Blick zum Himmel ist frei. Das Grundstück wird von einer großen Frauenschar besetzt. Die Frauen hocken in Grüppchen beieinander und quasseln. Eine fünfköpfige Einheit sitzt am Ende des Hofes und trommelt. Eine arabische Sängerin singt wohlklingende, traditionelle Lieder.
Walda setzt sich inmitten ein paar Frauen und plaudert mit ihnen. Ob sie jemanden von den Weibern
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