Reise in die arabische Haut
flüstere ich ergriffen und schwöre, meinen farbenfrohen Pullover nie wieder in einen Altkleiderbehälter zu werfen. Die These ‘Was zusammengehört, kommt immer wieder zusammen‘ hat nichts an Gültigkeit verloren.
Walda kauft mir auf dem nächsten Wochenbasar in Djemmel zwei Kleider aus undurchsichtigen, farbengedämpften Sommerstoffen. Endlich bin ich für die große Hitze gewappnet.
Heiliges Kairouan
Jadda steht in einem weiten, farblich zusammengemixten Kostüm mit rosa Bluse und goldener Amulettekette wie ein ausgeschmückter, weiblicher Buddha vor meinem Bett.
»Asslema«, weckt sie mich und hält mir mein lila Kleid und ein rotes Kopftuch hin.
»Bonjour Jadda.«
Habe ich ein Ereignis versäumt? Hat jemand Geburtstag? Ich glaube nicht, denn meine Familie feiert nur Kindergeburtstage. Die älteren Genossen bleiben immer so alt wie sie sich fühlen.
Ich quäle mich von der Matratze hoch, ziehe mir meine Sommerrobe über den Body und verschwinde ins Bad.
Der Tag fängt kühl an, weil ich vergessen habe, für warmes Wasser zu sorgen. Ich dusche kalt und zittere wie ein Aal in der Pfanne.
Wenige Minuten später streite ich mit Jadda über das rote Kopftuch, das farblich nicht zu meinem lila Kleid passt. Die ungehaltene Jadda bindet mir brutal das hässliche Kopftuch über die Haare. Ich quieke schmerzvoll, doch das berührt sie keineswegs.
Ich präsentiere mich als farblicher Irrtum meiner traditionellen Sonntagsfamilie. Niemand nimmt Anstoß an meiner Geschmacksverirrung.
»Kairouan«, ruft Ali Baba.
Wir besuchen heute die Pilgerstätte Kairouan, wo honigsüßes Gebäck hergestellt wird. Walda will dort einen gehörigen Vorrat an Schnuckelsachen einkaufen.
Wir quetschen uns zu viert in den klapprigen Mercedes. Ich hoffe, dass die Fahrt nicht ewig dauert. Bei dieser Hitze im Fahrzeug kommt keine Freude auf.
Jadda singt melodisch religiöse Textfetzen. Zum Leidwesen meiner Ohren stimmt Walda schallend mit ein.
Ich schaue unausgeschlafen und muffig auf die Gassen. Die Cafés, die nur mit Männern bevölkert sind, erinnern mich an mein geplantes Emanzipations-Projekt.
»Sagt mir, wo die Frauen sind, wo sind sie geblieben …?«, singe ich lauthals mit falscher Stimme und unterbreche den scheinheiligen traditionellen Gesang der beiden Damen. Schade, dass sie kein Deutsch verstehen.
Jadda und Walda lächeln gnädig und legen mit ihren Liedern wieder los, als ich meinen Singsang beende. Mustergültig auf Kairouan vorbereitet, erreichen wir die gläubige Stadt.
Vor Hunderten von Jahren fand man hier einen goldenen Becher, der aus Mekka stammt. Seitdem ist die Sidi-Oqba-Moschee die Hauptattraktion von Kairouan. Man sagt, sieben Besuche dieser Urmoschee kommen einer Reise nach Mekka gleich.
Jadda nähert sich ihrem Pilgerziel. Obwohl wir anderen gern auf einen Moscheebesuch verzichten möchten, schafft es niemand, ihr die Mekka-Alternative auszureden.
Unser Weg führt uns in die Moschee, damit Jadda schlussendlich Ruhe gibt. Sogar Baba Ali verzieht ärgerlich sein Gesicht.
Wir gehen durch ein riesiges Kuppeltor und stehen in einem Gang, der den gesamten Hof umrundet. In den schattigen Arkaden ist die Hitze erträglich. Jadda hängt an meinem Arm und schnattert in einer Tour. Will sie mir den Koran predigen? Ich bestätige ihre Aussagen mit einem »Naam.«
Mich tangiert die Moschee so viel wie ein fettiges Fladenbrot.
Der Gebetssaal ist mit kostbaren Teppichen ausgelegt. Bänke fehlen. Der Innenraum ähnelt unseren katholischen Kirchen, bis auf das Merkmal, dass der gekreuzigte Jesus und andere Heilige fehlen. Vereinzelt verbeugen sich Männer auf dem Teppich zum Gebet. Jadda hat durch das morgendliche Gerangel ihr Handtuch für die Fußwaschung vergessen. Nach ausgiebiger Nörgelei verzichtet sie schweren Herzens auf ihr Pilgergebet.
Wir bestaunen das Minarett, welches aus dem 9. Jahrhundert stammt. Die Sonnenuhr im Hof zeigt die genauen Gebetsstunden an. Jadda ist beruhigt, weil die Zeit für das nächste Gebet noch nicht angebrochen ist. Sie geht auf die Toilette, zieht ihr Unterhemd aus und benutzt dieses als Trockentuch für die Füße. Anschließend reicht sie ihr Baumwollhemd an Baba weiter. Die beiden gehen getrennt in den Gebetsraum, um ihr Soll zu erfüllen.
In der Natur legt sich die Sonne drückend auf mein Gehirn. Heute Morgen erhoffte ich mir einen Strandausflug mit Abkühlung in den Meereswogen. Stattdessen hocke ich im Moschee-Garten und hadere mit meinem
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