Reise in die Unterwelt
seiner Art zu sehr an seine eigenen, nicht immer ganz astreinen Manipulationen. Vor allem aber wunderte er sich über des Zauberers sichtliche Nervosität, die immer stärker wurde.
Nachdem sie gebadet, sich neue Kleider hatten besorgen lassen und ein reichhaltiges Mahl eingenommen hatten – in dem Polderbag erstaunlicherweise nur herumstocherte –, verabschiedete der Zauberer sich, angeblich, um seinen Kollegen Warpl aufzusuchen.
Cugel wartete, bis Polderbag durch die Tür war, dann ließ er Sull, der bereits neben dem Feuer schnarchte, allein und folgte dem Zauberer durch den Hinterausgang und durch dunkle enge Gäßchen und labyrinthartige Straßen. Nach den manchmal recht baufälligen Häusern zu schließen und jenen, die mit Moos bewachsen waren, mußte Millions Gather wahrhaftig eine uralte Stadt sein.
Endlich kamen sie zu einer Gasse, die nur schlecht beleuchtet war. Polderbag stieg ein paar Stufen zu einer Tür empor, klopfte und trat ein. Als Cugel die Treppe erreichte, hörte er ein klägliches Wimmern aus dem niedrigen Haus, dessen Dach vom Kopfende der Treppe leicht zu erreichen war. Cugel bemerkte, daß das anschließende Haus viel höher und sein erster Stock etwa einen Meter über dem Dach des Hauses hervorragte, in dem Polderbag verschwunden war.
Cugel kletterte auf das Dach und hielt sich unter das überhängende Stück des Nachbargebäudes. So konnte er von unten nicht gesehen werden. Auf allen vieren krabbelte er an der Wand entlang, bis er eine schadhafte Schindel entdeckte, durch die er in den darunterliegenden Raum blicken konnte. Es war ein düsteres, ganz in Holz gehaltenes Zimmer, das zum Teil als Labor mit allen möglichen Gerätschaften, und zum Teil als Studierzimmer mit unzähligen Schriftrollen eingerichtet war. Ein Greis mit dichtem weißem Haar und wallendem Bart zitterte offensichtlich vor Grimm. Ihm gegenüber war Polderbag auf ein Rad gespannt, das der Alte durch einen Wink zum Drehen brachte. Der ehemalige Exorzist schrie und wimmerte hilflos. Das Rad drehte sich immer schneller, bis Polderbags Gestalt nicht mehr als eine Reihe verschwommener konzentrischer Kreise schien. Nun streckte der Greis einen knochigen Finger aus und schleuderte einen Strahl grünen Feuers auf das wirbelnde Rad der Bestrafung.
Polderbags Schreie gellten, verzerrt durch die Geschwindigkeit der Umdrehungen. Noch einmal schleuderte der Alte einen Blitz auf ihn ab, dann zuckte er angewidert die Schultern. Auf seinen Wink hin hielt das Rad an, und Polderbag blieb mit dem Kopf nach unten hängen.
»Es ist sinnlos«, grollte der Greis. »Ich habe keine Freude an Strafen, wie du sie verdient hättest. Du kannst mir auf den Knien danken, du hohlköpfiger Lehrling, daß ich dich wieder bei mir aufnehme. Sind die Zauber, die du dir ohne mein Wissen ausborgtest, noch intakt? Oder hast du sie den Schriftrollenhändlern für einen lächerlichen Preis verkauft? Doch was soll's! Die Zauber waren ohnehin von keinem großen Wert, sonst hätte ich dich längst zurückgeholt.«
»Hochverehrter Meister«, wimmerte Polderbag, »ein böser Einfluß, ein schlimmer Unterweltgeist, umwölkte meinen Verstand und gaukelte mir ehrgeizige Phantastereien vor. Erst vor kurzem konnte ich mich von diesem Fluch befreien, woraufhin ich sofort zu Euch zurückeilte.«
»Undankbarer! Tölpelhafter Gauner, verschone mich mit deinen durchsichtigen Ausreden. Zu gut kenne ich deinen feigen, habsüchtigen Charakter, als daß du mich täuschen könntest. Du bist zurückgekommen, belassen wir es dabei. Händige mir meine Zauber aus und erwarte eine tägliche Strafe, schlimmer als ich sie dir je auferlegte.«
Polderbag, den ein weiterer Wink des Magiers vom Rad befreite, fiel auf die Knie. »Großherzigster aller Zauberer, Ihr werdet sehen, daß ich trotz des bösen Geistes, der mich besaß, an Euch und Euer Wohl gedacht habe. Ich bringe Euch zwei Kunden. Was meine Provision betrifft ...«
»Was? Du hast die Unverschämtheit, von Provision zu sprechen? Bring die Kunden morgen hierher und wage es ja nicht, auch nur die geringste Gebühr von ihnen zu beanspruchen. Mir brauchen sie lediglich das übliche Beratungshonorar zu entrichten. Was möchten sie denn gern wissen?«
»Sie suchen Simbilis«, erklärte ihm Polderbag. Der Greis schien überrascht, dann murmelte er. »Ich will sie beraten, so gut ich kann. Narren wie sie werden es nötig haben. Du kannst dich jetzt zurückziehen.«
Polderbag verbeugte sich bis fast zum Boden und schritt
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