Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
Handelsschiffes betreten; dieses im übrigen nicht sehr laute Völkchen verschwand für einen Großteil des Tages auf seinem Posten im Hinterschiff und kümmerte sich nicht um die beiden Franzosen an Bord. Zur Essenszeit gingen sie, mit den verschiedenartigsten, jedoch immer schmutzigen und verbeulten Wasserkesseln ausgerüstet, heißes Wasser holen, um sich ihren Tee zu brühen, dieses für den Engländer jeder Gesellschaftsschicht unentbehrliche Getränk. Er diente dazu, die Verdauung eines trockenen und mit einer rohen Zwiebel eingeriebenen Stücks Brot zu beschleunigen, das die Grundlage ihrer Verpflegung ausmachte; sie ernährten sich nämlich auf eigene Kosten, und die Dürftigkeit und Unzulänglichkeit einer solchen Mahlzeit darf nur ihrer eigenen Sparsamkeit zugeschrieben werden.
Gegen Abend entschwand zu ihrer Linken die Einfahrt in den Bristolkanal, und wieder verloren die Reisenden das Festland aus den Augen; sie hatten sich in dieses Leben an Bord vollkommen eingewöhnt und fühlten von Tag zu Tag eine stärkere Verbundenheit mit dieser neuen Existenz. Um Zungenübungen zu machen, unterhielt Jonathan sich oft mit dem Ersten Offizier und dem Kapitän; er hatte überdies gehörige Schwierigkeiten, ihre mundartlich eingefärbten Antworten zu verstehen. Das Schottische besteht aus drei verschiedenen Dialekten: Englisch, Angelsächsisch und Ersisch oder Gälisch, was nichts anderes ist als das Idiom der Westbretagne. Es war eine anstrengende Arbeit, die noch schwere Migränen für die Zukunft verhieß.
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag ereigneten sich keinerlei Zwischenfälle; nachdem die
Hamburg
die Landzunge von Wales auf der Höhe der Grafschaft Pembroke umschifft hatte, fuhr sie durch die stumpfen und bleiernen Wasser des St.-Georgs-Kanals.
»
Good mourning,
Käpten«, sagte Jacques und streckte dem Schotten die Hand entgegen.
»Good mourning«,
antwortete dieser mit beleidigter Miene,
»you are, sir, truly tedious!«
»Was will er denn von mir?« entgegnete Jacques verunsichert und wandte sich Jonathan zu, der aus vollem Herzen lachte. »Das ist doch die Höhe! Was habt ihr nur gegen mich, der eine zuckt mit den Schultern, wenn ich ihm einen guten Tag wünsche, und der andere lacht Tränen.«
»Mein guter Jacques, was zum Teufel hast du dem Kapitän bloß gesagt, damit dieser dir antwortet: Sie sind außerordentlich unangenehm?«
»Was ich ihm jeden Morgen sage:
good mourning.
«
»
Morning
und nicht
mourning«,
rief Jonathan. »
Good mourning
heißt: gutes Trauern; das ist genauso, wie wenn du zu diesem braven Kerl sagen würdest: Wann haben wir denn das Vergnügen, auf Ihre Beerdigung zu gehen?«
»Nicht möglich!«
»Doch, wahrhaftig!«
»Dann klärt sich ja alles auf!
Good morning, captain.
«
Vierzehntes Kapitel
Jacques und Jonathan gehen in Liverpool an Land
Am Donnerstag gegen fünf Uhr morgens hatten sie den St.-Georgs-Kanal auf der Höhe der Insel Anglesey durchquert; nun mußte Kurs nach Osten genommen werden, und das Schiff segelte in Richtung Liverpool; der Kapitän rechnete damit, am Nachmittag anzukommen.
Um sechs Uhr kam an die Längsseite der
Hamburg
eine Yacht, die so bezaubernd aussah wie ein Vergnügungsschiff; es war aber nur eine Schaluppe mit Kuttertakelung, die dem Liverpooler Lotsendienst gehörte; ein Beiboot löste sich von ihr, und der Lotse stieg an Bord.
Jacques und Jonathan staunten nicht schlecht: Ein frischrasierter Herr, sorgfältig behandschuht, mit Hose und schwarzem Rock bekleidet, einen seidenen Hut auf dem Kopf und einer weißen Krawatte um den Hals, einen leichten Mantel nachlässig über den Arm geworfen – das war also ein Lotse aus Liverpool! Seine Kleidung von bestem Geschmack konnte der Strenge des pedantischsten Dandys trotzen! Und das auf hoher See und vor Sonnenaufgang. Dieser Mann wirkte jung, und sein ebenmäßiges Gesicht strahlte britische Ruhe und Gesundheit aus. Er übernahm das Kommando auf dem Schiff, stellte sich an den Kompaß, gab die Richtung an, der gefolgt werden mußte, und stellte sich dem Kapitän zur Verfügung, der ihn ein paar Stunden später zum Essen lud.
»Das ist ein netter Vorgeschmack auf die englischen Sitten, Freund Jonathan.«
»Dieser Herr ist um vieles vornehmer als wir: Man könnte ihn für ein Parlamentsmitglied halten.«
»Vor allem, wenn er sich beim Nachtisch betrinkt!«
Aber der Lotse blieb vollkommen nüchtern, auch wenn er die letzten Flaschen Bordeaux leerte.
Als sie wieder an Deck waren,
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