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Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Titel: Reise mit Hindernissen nach England und Schottland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Stufen, und der Souverän von fünfundzwanzig Franc wird wie Frankreichs Louis verwendet.
    Schließlich kam Jonathan nach mehreren Versuchen mit einer halben Krone davon, was ein wenig mehr als drei Franc ist. Das war treuer für eine Fahrt von zehn Minuten.
    Nachdem sie ihr Zimmer im Queen’s Hotel bezogen hatten, entspann sich folgender Dialog zwischen den beiden Freunden:
    »Endlich«, sagte Jacques, »jetzt sind wir also in England!«
    »In England ja! Aber nicht in Schottland, dem Ziel unserer Reise!«
    »Teufel auch! Laß uns doch wenigstens Atem holen.«
    »Atem holen werden wir, so gut es irgend geht, aber wir haben keine einzige Minute zu verlieren; wir sind vor genau vierundzwanzig Tagen aus Nantes abgereist und müssen in den ersten Septembertagen wieder in Paris sein. Urteile selbst, wieviel Zeit uns bleibt, um nach Edinburgh zu gelangen, uns ein paar Seen und Gebirge anzuschauen, nach London zurückzufahren und die Meerenge wieder zu überqueren! Es ist absurd! Das hat uns nur die Verspätung der
Hamburg
eingebrockt!«
    »Wir wollen ihr nichts Schlechtes nachsagen! Sie ist ein braves Schiff, das gut läuft!«
    »Wenn es läuft, einverstanden; doch ohne es beleidigen zu wollen, kann man behaupten, daß es sich nicht gerade schnell auf den Weg macht! Wir sollten übrigens nicht jammern, sondern überlegen.«
    »Gut, überlegen wir.«
    »Laß uns der Reihe nach vorgehen; wir müssen erstens Briefe zur Post bringen, die wir an Bord vorbereitet haben; uns zweitens über die Abfahrtszeiten nach Edinburgh informieren; drittens im Auftrag meines Bruders bei Mister Kennedy, Esquire, vorstellig werden; viertens Liverpool besichtigen, und zwar heute abend, in der Nacht und auch morgen früh.«
    »Das Programm ist perfekt. Also los.«
    »Aber wo gehen wir hin?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Jacques, »und das macht den Charme unserer Reise aus. Niemals geht man so weit, wie wenn man nicht weiß, wohin man geht, sagte ein Redner des Konvents.«
    »Ich habe nichts dagegen einzuwenden, vorausgesetzt, wir kommen rechtzeitig zurück. Los.«
Fünfzehntes Kapitel
Größe und Elend Liverpools
    Die zwei Freunde begaben sich unverzüglich zum Caledonian Railway, dessen Bahnhof direkt auf dem Platz von Saint George’s Hall steht; die Abfahrt war für den nächsten Tag um zwei Uhr nachmittags angegeben. Sie hatten einige Schwierigkeiten, sich diese Auskünfte zu besorgen, denn Eisenbahnangestellte sind in England rar; dagegen bewegen sich die Besucher ungehindert in den Bahnhöfen und spazieren, wie es ihnen beliebt, auf den Bahnsteigen umher. Jonathan mußte also seinen ganzen Verstand aufbieten, um einen Anschlag zu entziffern, der nicht gerade durch Klarheit glänzte.
    Auch das Frankieren der Briefe führte zu einer gewissen Verlegenheit, denn Jonathan kannte ausgerechnet die Übersetzung für das Wort Postwertzeichen nicht; schließlich verkaufte ihnen ein Apotheker welche unter dem Namen
postage’s stamps,
und als sie auch von dieser Sorge befreit waren, begaben sie sich zu Mister Joe Kennedy, Custom House Street.
    Dieser achtbare Kaufmann empfing sie freundlich in düsteren Büroräumen, in denen man schon nachmittags um vier die Gaslampen anzünden mußte; hohe, gelblichschwarze Backsteinhäuser mit Fenstern, die vom Kohlenrauch verschleiert und mit kleinen Schwenkkränen geschmückt waren, verschlimmerten die Dunkelheit der Straße noch zusätzlich. Mister Kennedy war das würdevolle Abbild eines englischen Reeders, mit kräftigem Kopf, struppigem Backenbart und frischem, um nicht zu sagen rötlichem Teint. Feierlich bot er den Reisenden seine Dienste an und lud sie ein, noch am selben Abend mit ihm eine Art Picknick einzunehmen; die beiden stimmten mit Begeisterung zu, denn sie waren erpicht darauf, die englischen Sitten zu erforschen. Sie verabredeten sich für neun Uhr in der Bull and Mouth Tavern, deren Lage ihnen sorgfältig beschrieben wurde.
    Nun lagen noch ein paar freie Stunden vor ihnen, und diese mußten nutzbringend verwendet werden; also lenkten Jacques und Jonathan ihre Schritte zum Hafen, und dabei kamen sie durch enge, morastige Gassen, in denen das englische Elend seinen abscheulichen Luxus zur Schau stellte. Fast alle Frauen trugen unbeschreibliche Hüte, die nun endlich, nachdem sie auf dem blonden Haar reicher Ladies geblüht hatten, nachdem sie auf dem Dutt einer Kammerzofe oder einer Kleinhändlerin verwelkt waren, auf den Köpfen der unglücklichsten Geschöpfe der Welt im wahrsten Sinne

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