Reise nach Genf
es und verschließt es in einer Schublade.«
»Das kann nicht Ihr Ernst sein«, protestierte er. »CNN?«
»Woher wissen Sie, daß es CNN ist?« fragte ich.
Er starrte vor sich hin auf den Teppich und fragte dann: »Also endgültig? Kein Verkauf?«
»Kein Verkauf«, sagte ich. »Ohne Mitsprache ist mir das Risiko zu hoch.«
»Vielleicht kann ich das ändern«, sagte er nach kurzem Überlegen. »Kann ich meine Firma anrufen?«
»Rufen Sie, rufen Sie«, sagte ich.
Er stand auf und verschwand nach draußen.
»Will er es kaufen, um es zu haben?« fragte Minna.
»Er selbst kann durchaus der Meinung sein, es sei ein Handel wie jeder andere auch. Aber tatsächlich sind hunderttausend Dollar zu diesem Zeitpunkt verdächtig viel. Das weiß er auch. Er steckt in der Klemme. Vor allem wette ich, daß er den Auftraggeber gar nicht kennt.«
Der Mann namens Greggson kam nicht wieder, blieb irgendwo in der Nacht verschwunden.
»Es war ein mieser Versuch«, sagte ich. »Wir gehen in die Bar vom ›Le Richemond‹«, sagte ich. »Vielleicht bietet dort jemand mehr.«
Wir hockten uns im »Le Richemond« an einen Tisch, und ich winkte Lilo zu. Sie kam und setzte sich zu uns. »Was ist, hat Paolo dem Padrone etwas gegeben?«
»Ja«, sagte ich.
»Er hat einmal gesagt, daß seine Eltern irgendeine Pizzeria betreiben, daß er aber …«
»In Oberammergau«, sagte ich. »Wir werden ihn suchen, aber wir wissen nicht, wie er aussieht.«
»Das kann ich ändern«, sagte Lilo. »Ich habe ein Foto.« Sie verschwand und kam nach einer Weile zurück. »Das sind wir beide bei einer Fete hier an der Bar.«
Wir bedankten uns und gingen. Wir fuhren direkt nach St. Julien zurück, und wir entdeckten niemanden, der uns folgte.
Paolo sah auf dem Foto wie ein Bilderbuch-Italiener aus, schwarzhaarig, schlank, frech und jung. Lilo hatte ihn einen Filou genannt, wahrscheinlich war er einer. »Ich frage mich nur, ob er sich ausgerechnet dort verstecken wird, wo seine Eltern leben.«
Minna lag auf dem Rücken auf dem Bett. »Warum nicht? Italiener sind im Gegensatz zu uns echte Familienmenschen. Selbst wenn es für ihn gefährlich ist: Bei Mama und Papa fühlt er sich sicher. Wieviel wichtige Männer waren damals in Genf?«
»Mindestens zehn. Das sind die, die wir kennen, von allen anderen ganz zu schweigen. Diese zehn haben alle eine eigene Leibwache und somit genügend verschwiegene Freunde, um eine ganze Armee heimlich notzuschlachten. Das ist alles ekelhaft, irgendwie lästig. Das ist die Seite der Geschichte, die ich hasse.«
»Das kann ich nachfühlen«, sagte sie schnell. »Als du im Krankenhaus gelegen hast, habe ich mich gefragt, wen wir mit dieser Geschichte vom Hocker reißen können. In Somalia ist jedes zweite Kind am Verhungern, die Serben morden die Moslems im ehemaligen Jugoslawien, in Rostock stecken Skins Asylbewerbern die Häuser überm Kopf an, und die Polizei schaut weg. Wen reißt da Watermann vom Hocker? Ach, Baumeister, laß uns die zehn wichtigsten Männer systematisch durchgehen.«
Ich mußte lachen. »Du wirst niemals herausfinden, was sie dachten oder wollten. Vor allem wirst du niemals herausfinden, wie wichtig dieser Pinscher Watermann für sie war. Vielleicht gilt das nicht für Manfred Gerber, aber auch da können wir nicht sicher sein. Also gut, hast du Papier?«
»Briefpapier und ein paar Stecknadeln, um unsere Ergebnisse an die Wand zu pinnen. Reicht das?«
»Das reicht. Schreib auf das erste Blatt Manfred Gerber. Nach eigenem Einlassen ist er dauernd in Genf, und er war auch hier, als Watermann starb. Er wohnte knapp zwanzig Meter entfernt in einer Suite des ›Le Richemond‹. Er war einen Tag vor Watermann mit einer gemieteten Mitsubishi von Frankfurt nach Genf geflogen. Dann von Genf nach Zürich, dann von Zürich am gleichen Tag zurück nach Genf. Er war in Begleitung eines unbekannten Mannes und seiner Frau. Es steht außer Zweifel, daß Gerber nicht nach Genf kam, um Watermann zu ermorden …«
»Wieso steht das außer Zweifel?«
»Ganz einfach. So dämlich ist er nicht. Für so etwas hat er Leute. Eindeutig ist nur, daß er in Genf war, weil es um eine deutsche Geisel im Libanon ging, den Hoechst-Manager Rudolf Cordes. Es ist eindeutig, daß Gerber als privater Agent für Deutschland arbeitete, zusätzlich aber mit Sicherheit für die Firma Hoechst. Gerber hatte vorher erfolgreich mit den Libanesen gedealt, um eine andere deutsche Geisel freizubekommen, den Siemens-Techniker Alfred
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