Reise nach Genf
Hallo?«
»Ja, Padrone. Vielen Dank, daß Sie mich anhören. Ich liege hier in einem Genfer Krankenhaus. Ich soll Ihnen schöne Grüße von Paolo Maggia bestellen.«
»Wie heißen Sie, bitte?«
»Baumeister, Siggi mit Vornamen.«
»Ich soll einen Paolo Maggia kennen?«
»Na sicher. Es ist zwar eine Weile her, aber Sie müßten ihn kennen. Als im ›Beau Rivage‹ der deutsche Ministerpräsident Watermann in seiner Badewanne starb, kam Paolo zu Ihnen und brachte Ihnen etwas zum Aufbewahren. Sagen Sie jetzt nicht ja, sagen Sie nicht nein, ich weiß es genau. Das war 1987 im Oktober. Erinnern Sie sich jetzt?«
»Ja, ich erinnere mich. Ich tue manchmal Landsleuten zuliebe etwas. Ist Paolo tot? Hat er Sie geschickt?«
»Noch ist er nicht tot, aber es kann nicht mehr lange dauern. Wie schnell können Sie hier sein?«
»Im Krankenhaus etwa?«
»Ja, natürlich.«
»In welchem Krankenhaus?«
»Saint Denise. Können Sie das, was Paolo Ihnen gab, mitbringen?«
»Das kann ich nicht, weil es bei meinem Anwalt liegt.«
»Sind Sie sicher?«
»Falls wir dasselbe meinen, ja.«
Damit hängte er ein. Ich hatte keinerlei Vorstellung davon, wie er reagieren würde. Eine Stunde später klopfte es und er kam herein. Er war nicht allein. Zwei junge Männer waren bei ihm, die er sofort wieder hinausschickte, als er sah, daß ich nicht mit dem Maschinengewehr im Bett lag.
Er war ein schlanker Graumelierter vom Typ gütiger Opa, dem jeder bedenkenlos die Brieftasche anvertrauen würde. Er zog sich den Stuhl an mein Bett, wischte mit einem seidenen Tuch über die Sitzfläche und setzte sich. »Was ist mit Paolo, mein Freund?«
»Ich bin stinksauer«, sagte ich seufzend. »Ich bin stinkwütend. Ich werde in eine Scheißgeschichte verwickelt, von der ich nicht die geringste Ahnung habe. Ich werde verprügelt von irgendwelchen dummen Jungens, ich erfahre, daß Paolo etwas bei Ihnen deponiert hat. Kein Mensch verrät mir, was es ist. Verraten Sie es? Nein, Sie sind der freundliche, aber knallharte Typ, Sie verraten nichts. Können Sie wenigstens nicken, wenn ich etwas frage?«
Er starrte mich verwundert an, dann lächelte er und nickte.
»Gut. Paolo kam also zu Ihnen und bat Sie, etwas für ihn zu deponieren. Hilfe für einen in Not befindlichen Landsmann. Er sagte Ihnen wahrscheinlich genau, worum es sich handelt. Computerausdrucke, langweilige Computerlisten. Sie machten nur Sinn, wenn man sie mit Watermann im Hotel ›Beau Rivage‹ in Verbindung brachte. Sie nahmen freundlicherweise die Listen an sich und deponierten sie bei Ihrem Anwalt. Natürlich sahen Sie sich die Listen genau an, nicht wahr? Und was fanden Sie? Nun, ich denke, Sie fanden Namen von Gästen aus dem Hotel ›Beau Rivage‹. Jetzt meine Frage: Wieviel Prozent zahlte Ihnen Paolo für die Deponierung dieser kostbaren Schriftstücke?«
»Keinen müden Franken«, sagte er. »Ich nehme kein Geld von Landsleuten. Wenn ich es täte, mein Freund, würde ich nicht mehr leben. Ich würde an Ihrer Stelle nicht darüber sprechen. Mit keinem Menschen auf der Welt. Und bestellen Sie Paolo schöne Grüße, wenn Sie ihn sehen.«
»Wo ist er denn? In Deutschland, nicht wahr?«
»Er ist in Oberammergau bei seinen Eltern«, sagte er sanft.
»Das hätten Sie eher wissen können. Sie müssen nur den Padrone fragen.« Er lachte leise.
»Warum verraten Sie mir das so einfach?«
»Nun, Paolo weiß etwas, was sonst niemand weiß, nicht wahr? Angenommen, Paolo stirbt, nur angenommen: Ist es nicht hübsch, zu wissen, wer auf dieser Welt erfahren will, was Paolo wußte?«
»Ich denke, Sie sind ein ehrenwerter Mann.«
»Das bin ich auch«, lächelte er. »Ich müßte versuchen, diesen Neugierigen davon zu überzeugen, daß es keinen Sinn macht, den Padrone zu bedrohen, nicht wahr? Ich könnte sagen: Mein Wissen gegen ein wenig Einfluß bei einem großen Geschäft, nicht wahr? Wie wäre es mit einem Waffengeschäft?« Er lachte und ging hinaus.
Ich ließ den Arzt rufen, ich fragte: »War meine Freundin schon hier?«
»Nein, heute noch nicht. Aber sie wird gleich kommen.«
»Schicken Sie sie vorbei? Ich muß ihr etwas sagen.«
»Gut, gut«, sagte er.
Minna kam erst gegen acht Uhr. Sie platzte herein, war blaß um die Nase und trug eine Sonnenbrille. »Der Express ist erschienen und diese Genfer Zeitung. Wenn man das liest, muß man auf die Idee kommen, daß wir den Mörder kennen. Ein Foto ist auch dabei. O Scheiße, Baumeister, ich weiß nicht, ob das gut war. Ich habe
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