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Reise nach Genf

Reise nach Genf

Titel: Reise nach Genf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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schwesterlich sein könnte.«
    »Aber ja«, murmelte sie.
    Mag sein, daß es anfangs schwesterlich war, aber dann wurde es zunehmend intimer, eindeutiger, drängender. Möglicherweise hatte ich ein wenig Angst. Aber dann vergaß ich das einfach.
     
    Es wurde nichts aus dem Frühstück, weil wir beide verlegen waren und ein bißchen Angst davor hatten, uns beim Frühstück gegenüberzusitzen. Zuweilen sind Menschen so. Wir verfielen in fieberhafte Tätigkeit, packten, besprachen, was wir vielleicht tun könnten und was nicht, und wußten gleichzeitig, daß all dies Gerede dummes Zeug war. Erst als wir längst im Wagen saßen und die Bundesstraße 23 über Schongau und Landsberg nach Augsburg fuhren, sagte sie in die grelle Sonne blinzelnd: »Du brauchst wirklich nicht Vollgas zu geben. Es war sehr schön, Baumeister.«
    »Ja, das war es. Und vielen Dank.«
    Nach einem Kilometer fragte sie: »Meinst du das so?«
    »Ja, das meine ich so.«
    Nach einem Kilometer sagte ich: »Ist doch ein Geschenk, oder?«
    »Ja«, nickte sie, »das ist es.«
    Windlingen liegt zwischen Reutlingen und Gammertingen am Nordrand der Hohenzollernalb. Wir fuhren bis Ulm auf der Autobahn, dann auf der Bundesstraße 28 über Blaubeuren und Bad Urach. Windlingen fällt im Schwäbischen nicht auf, einem Hamburger würde es auffallen. Es ist ungeheuer sauber, kleinstädtisch betriebsam, alles verläuft absolut geregelt, nichts überläßt schwäbische Betriebsamkeit dem Zufall.
    Die Firma All-Expo-Trans hatte ihren Sitz im Gewerbegebiet-Süd, wie ich in einem Telefonbuch feststellte. Wir fuhren hin und waren enttäuscht. Du erwartest die Demonstration geballter Wirtschaftsmacht und stehst vor einem zweistöckigen braunen Kasten, der abgesehen von öder Langeweile nichts ausstrahlt. Das änderte sich, als wir die gläserne Flügeltür durchschritten hatten. Da war ein Empfangstisch mit einer Frau aufgebaut, die direkt der letzten Nummer irgendeiner Frauenzeitschrift entsprungen schien. Ich reichte ihr meine Karte, ich sagte: »Ich möchte gern Herrn Westphal sprechen.«
    »Einen Moment bitte«, sagte sie munter und strahlte mich an, drehte sich herum und ging durch eine Milchglastür. Nach einer Weile kam sie zurück. »Der Chef hat aber nicht lange Zeit. Andererseits will er Sie nicht unnötig warten lassen. Bitte kommen Sie mit.«
    Ich drückte Minna den Fotoapparat in die Hand, und wir gingen hinter der Modepuppe her in den ersten Stock. Wie üblich mußten wir durch das Sekretariat. Eine Frau fragte mit einer eigenartig schnurrenden Stimme: »Kaffee oder Tee?« Es klang wie ein fröhlicher, unsittlicher Antrag.
    »Kaffee, bitte«, sagte Minna. Sie lächelte genauso süß wie alle die Frauen um uns herum.
    Westphal war ein kleiner, schmaler Mann mit einem großen, dunklen Schnauzer unter hellblauen Augen und einer weit fortgeschrittenen Stirnglatze.
    »Meine Kollegin Minna Tenhövel«, sagte ich.
    Er stand irgendwie stramm, obwohl wir nicht hörten, daß er die Hacken zusammenschlug. »Gnädige Frau!« sagte er. »Bitte nehmen Sie Platz. Was kann ich für Sie tun?«
    »Wir haben ein Problem«, sagte ich und sah ihn eindringlich bittend an. »Wir haben ein Problem mit dem toten Herrn Watermann. Da Sie ihn kannten, da Sie ihn zweimal, dreimal trafen, sind wir hier. War er eigentlich Mitglied in dem Verein ›Preußens Geschichte‹ in dem Sie Geschäftsführer sind?«
    »Nein, nein, Mitglied war er nicht, er hatte mit dem Verein nicht das Geringste zu tun. Er war, nun, sagen wir ein geschäftlicher Berater in ein, zwei Fällen. Wirklich nichts Besonderes.«
    »Können Sie uns sagen, in welchen Fällen?« fragte Minna, und ihre Stimme klang so freundlich wie zerbrechendes Glas.
    »Ja, sicher kann ich das, das bin ich bereits gefragt worden.« Er lächelte plötzlich. »Nein, ich bin nicht von der Presse danach gefragt worden, sondern von Behörden, die sich bedauerlicherweise mit dem plötzlichen Tod von Dr. Watermann beschäftigen mußten. Er war ein Fürsprecher schleswig-holsteinischer Industrie. Das war ja sein Amt, nicht wahr? Wir vermittelten flachgehende Küstenboote, natürlich zivilen Charakters, an die damalige Volksrepublik Polen. Sie wurden in Schleswig-Holstein gebaut …«
    »Und wahrscheinlich transportiert von Schalck-Golodkowskis Firma KoKo, nicht wahr?«
    »So isses«, sagte er offen. »Wir konnten damals nicht wissen, was für ein Schlitzohr dieser Schalck-Golodkowski ist, nicht wahr?«
    »War Watermann jemals hier bei Ihnen in

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