Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reise nach Genf

Reise nach Genf

Titel: Reise nach Genf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
unten ist ein Zeltlager.«
    Rechts ging es steil einen mit langen Gräsern und Steinbuckeln übersäten Abhang hinunter. Unten lag eine satte grüne Wiese an einem Bachlauf. Sie wirkte wie ein Edelstein. Die hellen Rechtecke der Zelte stachen grell hervor.
    »Wahrscheinlich ist der Baron sozial und läßt im Sommer da unten die Pfadfinder hausen.«
    »Das sind doch keine Pfadfinder«, widersprach Minna. »Die sind älter.«
    Ungefähr zwanzig Figuren in Badehosen, braungebrannt und offensichtlich sportgestählt, machten seltsame Übungen. Sie standen in einer Reihe, vor ihnen ein Oberathlet, und ließen die Fäuste vorschnellen, wobei sie in einem strengen Rhythmus Schreie ausstießen.
    »Die üben irgend so was Japanisches oder Koreanisches«, sagte Minna. »Ich glaube, das heißt Wing Sun oder Karate oder was weiß der Himmel. Wenn du das kannst, brauchst du keine Furcht mehr zu haben, heißt es.«
    »Statt Volksreden zu halten, solltest du dieses Zeltlager fotografieren. Wenn du genau hinschaust, dann kannst du im zweiten von rechts deinen Verehrer Karl-Heinz erkennen. Und gleich daneben steht sein Kumpel.«
    Sie sagte nichts, sie atmete scharf ein und fotografierte. Endlich seufzte sie: »Wenn ich das meiner Oma erzähle, sagt die: Kind, spinne nicht!«
    In der Mitte der rot schimmernden Mauer war ein großes, aus Bohlen gefügtes Rundtor eingelassen, in der rechten Hälfte eine normale Tür mit einer Klingel an der Mauer. Ein Name stand nicht darauf. Ich schellte.
    Ein Türsummer summte, die Tür sprang auf, wir standen in einem Innenhof mit uraltem Katzenkopfpflaster. Jemand sagte durch einen schnarrenden Lautsprecher: »Wenn die Herrschaften bitte den rechten Aufgang nehmen wollen. Herzlich willkommen!«
    Es ging eine breite, aus schweren Eichenbrettern gezimmerte Treppe hinauf auf einen Geranien-geschmückten Rundgang. Nichts zeigte die Spur von Staub oder gar Schmutz und Spinnweben.
    »Wahrscheinlich sind die Turner da unten die Putzfrauen«, sagte Minna leise.
    Der Gang war zu Ende an einer dunkelbraun gestrichenen schweren Tür. Sie ging auf, und ein kugelig runder, ungefähr fünfzig Jahre alter Mann mit einem sehr roten Gesicht stand vor uns und blinzelte freundlich. »Von Windlingen«, sagte er mit erstaunlich hoher Stimme. »Seien Sie willkommen.« Er reichte uns beiden die Hand, und daran war etwas durchaus Huldvolles.
    »Sie haben es ja zauberhaft hier«, hauchte Minna.
    »Wenn ich meinen Büchern glauben darf, seit etwa sechs Jahrhunderten«, sagte er sehr zufrieden.
    Er ging voraus in eine kleine Halle, die zwei Geschosse hoch war und mit wundervollen Rotsandsteinplatten ausgelegt.
    »Was kostet die Erhaltung jährlich?« fragte ich.
    »Ein Vermögen«, sagte er. Er ging voraus in einen etwa sechs mal sechs Meter großen Raum, in dem zwei Tische standen, ein Schreibtisch und ein weiterer, der einen sehr umfangreichen IBM-Computer trug.
    »Gehen wir in das Besprechungszimmer«, sagte er. »Darf ich Ihnen etwas bringen lassen? Es ist schon spät. Kaffee vielleicht?«
    »Kaffee wäre sehr gut, danke«, sagte ich.
    »Setzen wir uns dort in die Sessel.« Er ging an einen kleinen, grauen Kasten in der Wand, nahm einen Hörer ab und sagte:
    »Kaffee und ein wenig von dem Holzapfellikör.« Dann setzte er sich uns gegenüber und musterte uns mit der Unbefangenheit eines heiteren Gemüts. »Ich hörte, Sie haben Probleme mit dem toten Watermann?«
    »So kann man sagen. Wir recherchieren erneut die merkwürdigen Umstände seines Todes und sind sicher, daß er getötet wurde. Wir suchen alle Menschen und Institutionen auf, die irgendwie mit ihm in Verbindung standen …«
    »Aber doch wir hier nicht«, sagte er milde.
    »Das wissen wir nicht. Sehen Sie, der Verein hat den Detektiv Manfred Gerber angeheuert. Wir wüßten gern, was der für Ihren Verein tat. In der Nacht, als Watermann starb, war Gerber ganz in der Nähe, wußte, daß Watermann dort war. Wir unterstellen Ihnen um Gottes willen nichts, wir denken nur, es ist eine Frage wert. Was hat Gerber für diesen Verein getan?«
    »Nun, wie Sie wissen, sind wir der preußischen Tradition verpflichtet, wir forschen, wir lassen forschen, wir machen Ausstellungen, wir fördern Projekte. Der Herr Gerber sollte für uns abklären, ob gewisse Vereinsmitglieder … nun, ob sie ihrem guten Namen gerecht werden. Soweit ich weiß, war das alles.«
    »Gerber wurde vermutlich durch Herrn Westphal an den Verein herangebracht.«
    »Ja, mein Geschäftsführer Westphal

Weitere Kostenlose Bücher