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Reise nach Genf

Reise nach Genf

Titel: Reise nach Genf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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entwickeln, bitte, auch wenn es verwischt oder über- und unterbelichtet ist.«
    Der junge Mann starrte mich an. »Behörde?« fragte er.
    »Polizei«, sagte ich, weil er der Typ war, der dann sofort ganz aufgeregt mit der Arbeit beginnen würde.
    »Selbstverständlich«, sagte er. »In einer halben Stunde.«
    »Danke«, sagte ich. Ich ging in das Hotel zur Post und bestellte ein Frühstück. Mir war schlecht, und jeder Bissen fiel mir schwer, und wenig später mußte ich mich übergeben.
    Ich holte die Bilder ab. Minna hatte gut gearbeitet, sie waren alle einwandfrei zu erkennen, von Lilo bis Blum. Ich packte sie in das Handschuhfach und fuhr in das Ammertal.
    Es war schon heiß, und eine Menge Touristen waren unterwegs. In Linderhof rief ich Minna im Krankenhaus an, aber sie sagten mir, es hätte keinen Sinn. »Wir halten sie im Tiefschlaf«, sagte der Arzt. »Vor morgen abend können Sie nicht mit ihr sprechen. Körperlich ist sie topfit, aber seelisch …«
    »Tun Sie alles, was Sie für richtig halten«, sagte ich. »Geld spielt keine Rolle.«
    Ich fuhr auf den Berg, es war sehr still, eine Unmenge von Schmetterlingen schwirrten in der heißen Luft.
    Gleich hinter der ersten Serpentine mußte ich hart in die Bremsen steigen. Da stand am Wegrand ein feuerroter Porsche mit einem Genfer Kennzeichen. Ich brüllte: »O nein!«
    Natürlich, es war so einfach: Lilo hatte sich auf den Weg gemacht. Sie hatte es wahrscheinlich durch den Padrone erfahren, oder sie hatte immer gewußt, wo Gaetano war. Dann hatte sie mich belogen. Wenn sie allen ihren Einfluß auf Gaetano geltend machen würde, dann war er als Zeuge verloren. Und der Wahnsinn würde sein: Sie hätte recht.
    An Gaetanos Hütte standen jetzt zwei kleine Suzuki-Jeeps. Es war noch früh, wenn sie vernünftig waren, würden sie noch schlafen. Ich stieg aus und sagte laut: »Hallo!«
    Nichts rührte sich.
    Ich ging die zwei Stufen auf die hölzerne Veranda hoch. Die Tür der Hütte war offen, stand angelehnt. Das Schloß war offensichtlich zerbrochen. Nein, herausgeschossen! Ich sagte noch einmal »Hallo« in diese erdrückende Stille und machte dann die Tür ganz auf. In dem breiten Strahl aus Sonnenlicht war absolut nichts zu sehen. Staub tanzte in der Luft.
    Ich erinnere mich, daß ich plötzlich eine atembeklemmende Furcht spürte. Ich dachte, ich könne nicht mehr atmen. Dann berührte ich die Tür.
    Die drei Männer hatten sich drei Feldbetten dicht nebeneinander aufgestellt, und sie hatten alle drei keine Zeit gehabt, aufzustehen.
    Sie lagen im Bett, als schliefen sie. Gaetano in der Mitte. Sie hatten alle einen Einschuß genau in der Stirn, und das Blut war längst getrocknet und hatte einen schwarzen Hof und schwarze Striemen gebildet.
    Gaetanos Beschützer kannte ich nicht, Freunde aus der ehrenwerten Gesellschaft, die versagt hatten.
    Wo war Lilo?
    Ich drehte mich herum und sah sie in eine Decke gehüllt in einem alten Schaukelstuhl sitzen. Sie hatte ein Loch in der Stirn.
    Ich hockte mich an den Steilhang in den Schatten einer windschief gewachsenen Birke und stopfte mir eine Pfeife. Ich durfte nicht hektisch werden, vor allem mußte ich jetzt schnelle und möglichst richtige Entscheidungen treffen. Es machte wenig Sinn, zu überlegen, wer diese Morde begangen hatte. Nichts machte sie ungeschehen.
    Gaetano war der Mann, der Blum und Westphal hätte einwandfrei identifizieren können. Jetzt nach weiteren Kollegen Gaetanos zu suchen, um sie zu einer Aussage zu überreden, brachte diesen Menschen nur Gefahr. Wer auch immer hinter dieser unglaublich brutalen Tat steckte, wichtig war jetzt nur, daß jemand versuchte, möglichst gründlich aufzuräumen.
    Das nächste Opfer würde ich sein. Ich setzte mich in meinen Jeep, um den ausgewaschenen Weg nach Linderhof zurückzufahren. Ich ging in das Hotel und bat um den Geschäftsführer. Ich erklärte ihm, daß ich einen abgeschlossenen Raum und ein Telefon brauchte, und zwar für mindestens zwei Stunden, daß er aber keinesfalls zu fürchten habe, daß ihm irgendwelche Schwierigkeiten daraus erwachsen würden. Er sagte: »Das geht.« Er arrangierte es innerhalb von fünf Minuten.
    Ich holte mein Namensverzeichnis aus dem Jeep und blätterte es langsam durch. Was geschehen war, war geschehen. Auf eine Stunde mehr oder weniger kam es jetzt nicht an. Ich blätterte in den Namen und versuchte, mich auf die Gesichter zu konzentrieren. Wer war so absolut zuverlässig, daß er in dieser Situation ohne Rücksicht auf

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