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Reise nach Genf

Reise nach Genf

Titel: Reise nach Genf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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sie friedlich. Da gibt es einen Busfahrer in Tuttlingen. Der fährt den Verein manchmal. Der hat in besoffenem Zustand erzählt, daß sie in die neuen deutschen Länder im Osten fahren und da Randale machen. Richtige Straßenschlachten organisieren sie da, aber auch Prügeleien im Fußballstadion und so was.«
    »Haben Sie eine Schreibmaschine?«
    »Ja, ja, meine Frau kann tippen.«
    »Dann diktieren Sie ihr alles, an was Sie sich erinnern, in die Maschine. Das muß nicht geordnet sein, das kann durcheinandergehen. Einfach diktieren. Hier haben Sie meine Karte. Nicht vergessen: Ich war nicht hier, ich kenne Sie nicht.«
    »In Ordnung«, sagte er erleichtert. »Das wird viel sein, was wir zu schreiben haben. Und viel Glück.«
    »Das kann ich gebrauchen.«
    Ich ging zurück, es war dunkel geworden, der Mond war eine verschwommene mattgelbe Lichtquelle, zuweilen von dunklen Wolken verdeckt. Das Restaurant hatte sich weitgehend geleert. Minna war nicht da.
    »Sie ist spazierengegangen«, sagte die Bedienung. »War es gut?«
    »Das kann man wohl sagen. Hat meine Frau gegessen?«
    »Nein, sie wollte auf Sie warten.«
    »Dann warte ich jetzt auch«, sagte ich.
    »Haben Sie gesehen, in welche Richtung sie gegangen ist?« fragte ich nach zwanzig Minuten.
    »Ja, links runter in Richtung Burg«, sagte sie.
    Also ging ich Minna nach, vielmehr ging ich nicht, ich schwebte. Blum war in Genf gewesen, unter dem Namen Meile aus Stuttgart. Mit Westphal! Das war phantastisch, das war beinahe zu einfach.
    Ein Lastwagen donnerte an mir vorbei, und dann sah ich Minna im Licht seines Scheinwerfers. Sie kniete etwa einhundertfünfzig Meter vor mir an der rechten Straßenseite. Soweit ich erkennen konnte, war sie nackt.

ZEHNTES KAPITEL
    Im gleichen Moment, als ich mit einem erstickten Laut loszurennen begann, trat der LKW-Fahrer mit voller Wucht in die Bremsen. Der Anhänger stellte sich quer, und in der nächsten Sekunde schleuderte die Zugmaschine nach links. Dann bremste er stotternd und landete im linken Straßengraben.
    Minna kniete im Gras. Sie war nicht nackt, ihre Kleidung war nur zerrissen, die Bluse hing in Fetzen, ihre Jeans waren verschwunden, der weiße Slip leuchtete seltsam obszön in der Dunkelheit.
    »Mein Gott, was ist denn passiert?«
    Sie kniete da, und ihr Kopf pendelte zwischen ihren Schultern. Dann fiel sie hart nach vorne auf das Gesicht.
    »Was ist los?« fragte der Lastwagenfahrer hinter mir.
    »Ich weiß es nicht. Wenn Sie CB-Funk haben, rufen Sie die Bullen. Und einen Krankenwagen. Dalli, Mann, dalli.« Ich versuchte, sie hochzuheben, aber sie war bewußtlos und schwer. Ich drehte sie herum. Sie hatte die Augen offen, aber sie blickten leer.
    »Ich bin Baumeister«, sagte ich. »Was ist passiert?«
    »Da waren Männer«, sagte sie merkwürdig klar. »Sie packten mich. Sie sagten, ich wäre eine Journalistenhure. Wir sollten uns nie mehr um Watermann kümmern. Sie zogen mich aus …«
    »Schon gut, schon gut. Waren das die Männer aus dem Zeltlager?«
    »Ich weiß es nicht. Ja, sie sahen so aus, aber ich weiß es nicht. Sie hatten Farbe im Gesicht oder Schmutz … Baumeister, sie wollten … sie versuchten … sie rissen mir die Beine auseinander … Baumeister …« Sie stammelte noch ein paar Worte, aber ich konnte sie nicht mehr verstehen. Sie war wieder ohne Besinnung. Ihr Gesicht war sehr weiß und sehr steinern.
    »Der Krankenwagen kommt sofort«, keuchte der Fahrer hinter mir. »Die Bullen auch. Was ist denn? Wer ist denn die Frau?«
    »Meine Frau. Sie ging hier spazieren.«
    »Ach du Scheiße«, sagte er. »Guck mal, das Blut da am Bauch.«
    »Sehe ich.«
    »Und oben an den Beinen. Den Schweinen sollte man den Pimmel rausreißen!«
    Minna bewegte den Kopf und atmete mühsam. Zuerst kam ihre Zunge zwischen den Lippen herausgekrochen.
    »Ganz ruhig«, sagte ich, »ganz ruhig. Gleich kommt Hilfe. Ich bin hier. Keine Angst.«
    Dann kam der Krankenwagen, gleich darauf ein Streifenwagen. Die Männer waren schnell und energisch. Ich erklärte ihnen kurz, was wahrscheinlich geschehen war, und als ich mit zu Minna in den Krankenwagen steigen wollte, sagte der Notarzt scharf: »Kommt nicht in Frage, Mann. Sie steht unter Schock. Kommen Sie nach.«
    Ich hockte mich ins Gras. Einer der Polizeibeamten kam zu mir. »Haben Sie eine Ahnung, wo das passiert ist?«
    »Keine. Sie machte den Spaziergang allein. Sie sagt, es kann sein, daß es Leute vom Baron waren. Ich meine die vom Zeltlager da oben.«
    »Na ja«,

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