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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Sorgfältig schloß er das Notizbuch, sicherte es mit dem Gummiband und warf es wie einen Diskus weit in den Chaparral hinaus. Ich war empört und wollte protestieren, aber er legte mir die Hand auf den Mund. Er deutete auf einen großen Busch und forderte mich auf, meine Aufmerksamkeit nicht auf die Blätter, sondern auf die Schatten der Blätter zu richten. Er sagte, das Laufen in der Dunkelheit brauche nicht durch Angst angespornt zu werden, sondern könne die ganz natürliche Reaktion eines frohlockenden Körpers sein, der sich auf das Nicht-tun versteht. Viele Male flüsterte er mir ins rechte Ohr, daß der Schlüssel zur Kraft darin liege, »nicht zu tun, was zu tun mir vertraut« sei. Wenn ich einen Baum ansähe, meinte er, so sei ich gewohnt, den Blick sofort auf das Laub zu richten. Die Schatten der Blätter oder die Zwischenräume zwischen den Blättern übersähe ich. Er riet mir, ich solle damit beginnen, mich auf die Schatten der Blätter eines einzelnen Zweiges zu konzentrieren, und mich dann allmählich weiterzuarbeiten, bis ich schließlich den ganzen Baum im Auge hätte, jedoch dürfe ich den Blick nicht zu den Blättern zurückkehren lassen, denn der erste Schritt zum Aufspeichern der Kraft bestehe darin, dem Körper das Nicht-tun zu erlauben. Vielleicht lag es an meiner Müdigkeit oder an meiner nervösen Erregung, jedenfalls versenkte ich mich so tief in die Schatten der Bäume, daß ich, als Don Juan aufstand, die dunklen Flecken der Schatten beinah ebenso gut gruppieren konnte, wie ich üblicherweise das Blattwerk gruppierte. Die Wirkung war überraschend. Ich sagte Don Juan, daß ich gern noch länger bleiben wollte. Er lachte und gab mir einen leichten freundlichen Schlag auf den Hut.
    »Ich sagte dir ja«, meinte er, »der Körper liebt solche Dinge.« Dann meinte er, ich solle mich von meiner gespeicherten Kraft durchs Gebüsch zu meinem Notizbuch führen lassen. Sachte schob er mich in den Chaparral. Ich ging einen Augenblick ziellos dahin, und dann stand ich davor. Ich glaubte, ich müsse mir wohl unbewußt die Richtung gemerkt haben, in die Don Juan es geworfen hatte. Er erklärte das Ereignis, indem er sagte, ich sei direkt auf das Notizbuch zugegangen, weil mein  Körper sich stundenlang mit »Nicht-tun« aufgeladen hatte.

15. Nicht-tun
Mittwoch, 11. April 1962
    Bei der Rückkehr zu seinem Haus riet mir Don Juan, ich solle an meinen Notizen arbeiten, als sei nichts geschehen, und ja keines der Ereignisse, die ich erlebt hatte, erwähnen oder auch nur darüber nachdenken.
    Nach einem Tag der Ruhe verkündete er, wir müßten die Gegend . auf ein paar Tage verlassen, denn es sei ratsam, eine gewisse Entfernung zwischen uns und die »Wesen« zu legen. Er meinte, sie hätten starken Einfluß auf mich gewonnen, obgleich ich dessen Auswirkung noch nicht bemerken könne, weil mein Körper nicht sensibel genug sei. Wenn ich nicht zum »Platz meiner Liebe« ginge, um mich zu reinigen und wiederherzustellen, so würde ich bald ernsthaft krank werden. Wir brachen vor Morgengrauen auf und fuhren nach Norden, und nach einer anstrengenden Fahrt und einem schnellen Fußmarsch erreichten wir am Spätnachmittag den Berggipfel. Wie beim erstenmal bedeckte Don Juan die Stelle, an der ich damals geschlafen hatte, mit kleinen Zweigen und Blättern. Dann gab er mir eine Handvoll Blätter, die ich auf meinen Unterleib legen sollte, und befahl mir, mich hinzulegen und auszuruhen. Zu meiner Linken, ungefähr zwei Meter von meinem Kopf entfernt, bereitete er eine weitere Lagerstätte für sich selbst und legte sich hin.
    Binnen weniger Minuten verspürte ich eine köstliche Wärme und ein Gefühl höchsten Wohlbefindens. Es war ein Empfinden körperlicher Erleichterung, ein Gefühl, als schwebte ich in der Luft. Ich konnte Don Juans Worten voll zustimmen, daß das »Strahlenbett« mich in der Schwebe hielt. Es wurde mir bewußt, wie unglaublich diese meine Sinneserfahrung war. Don Juan konstatierte sachlich, das sei der Zweck des »Bettes«. »Ich kann nicht glauben, daß so etwas möglich ist!« rief ich. Don Juan faßte meine Äußerung wörtlich auf und tadelte mich. Er sagte, er sei es leid, daß ich mich benähme wie jemand unglaublich Wichtiges, dem immer und immer wieder bewiesen werden müsse, daß die Welt unbekannt und wunderbar sei. Ich versuchte ihm zu erklären, daß ein rhetorischer Ausruf doch belanglos sei. Er erwiderte, wenn dem so sei, hätte ich ebensogut etwas anderes sagen können. Ich

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